Zum aktuellen Stand des Rückholungsverfahrens
(18.09.2023/CS) Die Frage lässt sich nicht seriös beantworten. Das liegt insbesondere daran, dass dieses Vorhaben weltweit bisher einmalig ist. Auf der anderen Seite gibt es keine verantwortbare Alternative. Das war 2010 das Ergebnis des Optionenvergleichs, den das zu der Zeit zuständige Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) auf Druck der ASSE 2-Begleitgruppe durchgeführt hatte. Die beiden anderen Optionen waren die „Vollverfüllung“ (Verbleib des Atommülls und Verfüllung der Hohlräume mit Sorelbeton und Flüssigkeit) und „Umlagerung“ (in neu zu schaffende Hohlräume in tieferen Schichten und erst dann eine Vollverfüllung). Für diese beiden Optionen konnte der Langzeitsicherheitsnachweis nicht geführt werden.
Die mangelnde Standsicherheit des ehemaligen Salzbergwerks kann aber auch die Umsetzung der Rückholung der 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall gefährden. Wenn es nicht mehr zu verantworten ist, Mitarbeiter in und vor den Kammern arbeiten zu lassen, muss die Rückholung abgebrochen werden und es bleibt dann nur – trotz aller Risiken - die Option „Vollverfüllung“. Aus dieser Konstellation ergibt sich der Zeitdruck für die Rückholung.
Es kann aber auch zu einer Situation führen, dass ein Ereignis von der jetzt zuständigen Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ausgenutzt wird, um die Rückholung abzubrechen, obwohl es nicht zwingend notwendig wäre. Die Motivation könnte sein, sich die aufwändigen Arbeiten zur Rückholung ersparen zu können. Ein Beispiel hierfür ist, wie eine erhöhter Laugenzufluss eingeschätzt wird. Bei solchen Fragen war es wichtig, dass es seit 2007 eine ASSE 2-Begleitgruppe (A2B) gab, die mit Hilfe der sie beratenden Wissenschaftlern sich eine unabhängige Meinung bilden konnte.
Ende 2022 hat die A2B den – als Vorbild für den laufenden Endlagersuchprozess geltenden – Begleitprozess beendet. Grund war, dass das zuständige Bundesumweltministerium (BMUV) sich bis heute weigert, einen fairen und ergebnisoffenen Standortvergleich für das notwendige oberirdische Zwischenlager für den rückgeholten Atommüll auch mit assefernen Standorten durchzuführen. Stattdessen gehen die Arbeiten zur Errichtung des Zwischenlagers am Standort „Kuhlager“ auf dem Betriebsgelände weiter.
Im Februar 2021 gab es noch einen Versuch, den Begleitprozess zu retten: Die beteiligten Parteien verständigten sich darauf, dass 4 unabhängige Expertinnen und Experten die getroffene Standortentscheidung in einem „Beleuchtungsbericht“ überprüften. Das Ergebnis wurde im Herbst 2021 vorgestellt und war aus Sicht der A2B, aber auch von dem zu dieser Zeit amtierenden Niedersächsischen Umweltminister Lies eindeutig: Die Region habe ein Recht – allerdings nicht im juristischen Sinn – auf einen Standortvergleich auch mit assefernen Standorten.
Die BGE will das notwendige Zwischenlager und die Konditionierungsanlage (der geborgene Atommüll muss neu verpackt werden) auf dem „Kuhlager“, direkt auf dem Betriebsgelände errichten und hat einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Amt für regionale Landesentwicklung (ArL) gestellt. Da es sich hier aber um ein FFH-Gebiet handelt, darf eine derartige Anlage nur genehmigt werden, wenn es keine zumutbare Alternative gibt. Aus Sicht der Initiativen ist es zwingend, dass im Rahmen des Raumordnungsverfahren (RoV) ein Standortvergleich auch mit assefernen Standorten durchgeführt werden muss.
Es ist derzeit noch offen, wie die für das ArL zuständige Ministerin, Miriam Staudte von den GRÜNEN, zu dieser Frage steht. Auf jeden Fall ist absehbar, dass der von der BGE genannte Termin 2033 für den Beginn der Rückholung nicht zu halten sein wird.
Claus Schröder