Tschernobyl Aktuell

Tschernobyl

Und täglich droht der Super-GAU

(Fr., 22.04.2016/UT) Die atomare Katastrophe bedroht uns täglich. Jederzeit kann sie erneut ausbrechen an irgendeinem Atomkraftwerk auf dieser Welt. Scheinbar sind wir in eine Zeitschleife geraten, verdammt die ständig wiederkehrende Musik zu hören - ein Thema; nur in immer neuen Variationen: Tschernobyl, Fukushima, auch Harrisburg... Welche Variation wird die nächste sein? Tihange oder Fessenheim, Doel oder Grohnde? Die gute Nachricht: Wir können die Zeitschleife noch verlassen und andere Möglichkeiten wählen. Die Menschen von Tschernobyl und Fukushima haben diese Wahl nicht mehr. Dabei werden Ausmaß und Folgen von den Verantwortlichen meistens heruntergespielt, berichteten die Zeitzeugin Anna Fitseva und die Ärztin Dr. Angelika Claußen, Vorsitzende der Sektion Europa des IPPNW*, vorgestern Abend in ihrem Vortrag „30 Jahre nach Tschernobyl - und kein Ende der Katastrophe“ an der TU Braunschweig. 

Die Physiklehrerin Anna Fitseva ist selbst eine Betroffene. 1986 hat sie im weißrussischen Gomel-Gebiet gelebt, das besonders von der Katastrophe getroffen wurde. Sie erzählte von Kindern der dritten und vierten Generation, die mit genetischen Schäden zur Welt kommen. Weite Gebiete um den Reaktor herum sind heute noch unbewohnbar und werden es bleiben. Einmal im Jahr, immer am Montag nach Ostern, dürften sie in die Sperrzone fahren, um die Gräber ihrer Eltern zu besuchen, sagte Fitseva.

Dr. Claußen hat sich seit Tschernobyl sehr intensiv mit den Krankheiten beschäftigt, die durch Strahlenbelastungen hervorgerufen werden. Dabei reiche es nicht, nur Krebserkrankungen zu berücksichtigen. Von den Liquidatoren, so Claußen, seien infolge der Strahlung mehr an Hirn- und Herzinfarkt gestorben als an Krebserkrankungen. Die Zusammenhänge seien schwer zu beweisen, weil in vielen Gebieten keine Untersuchungen durchgeführt werden. „Wo nichts gesucht wird, findet man auch nichts“, sagte die Ärztin. Sie zeigte Karten, auf denen sich die Höhe der radioaktiven Strahlung in den weltweit betroffenen Gebieten als Folge der Tschernobyl-Katastrophe ablesen ließ: Schweden ist stark betroffen und Südbayern. Noch heute wird abgeraten, Wild oder Pilze aus diesen Gebieten zu essen.

Die Musik spielt weiter. Welche Katastrophe, welche Variation wird die nächste sein?
In Japan laufen zwei der zwischenzeitlich abgeschalteten Atomkraftwerke wieder, ungerührt der Tatsache, dass letzte Woche kaum hundert Kilometer entfernt wieder starke Erdbeben zu verzeichnen waren. Die beiden Atomkraftwerke sind laut Betreiber nicht betroffen. Auch in Frankreich, Belgien und auch in Deutschland zeigen sich die Betreiber wenig besorgt angesichts der Alterserscheinungen ihrer Atomkraftwerke. Im Gegenteil. Erst jüngst wurden Tricksereien bei den Überprüfungen von Schweißnähten am AKW Philippsburg bekannt. Und der Schweißnahtvorfall am AKW Grohnde, der während der Revision 2014 durch einen Whistleblower angezeigt wurde? Um den ist es merkwürdig still geworden.

Die Bundesregierung hatte zwar als Reaktion auf die Fukushima-Katastrophe den deutschen Atomausstieg beschlossen, doch bis 2022 kann viel passieren. Die Katastrophen-Musik wird jedoch erst zum Schweigen gebracht werden, wenn weltweit alle Atomkraftwerke sofort abgeschaltet werden. Dafür müssen wir kämpfen, bevor die nächste Katastrophe beginnt.

*Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs - Ärzte in sozialer Verantwortung

Und deshalb Sonntag 24. April, Industriestraße Nord, Salzgitter-Bleckenstedt, bei Schacht Konrad:
Anlässlich der Jahrestage der Tschernobyl- und Fukushima-Katastrophen setzen wir mit der Frühstücksmeile gemeinsam ein unübersehbares Zeichen für den endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie und widersetzen uns den Atommüllplänen in unserer Region.