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Der „verantwortliche“ Staatsekretär und sein Publikum

(Fr., 27.03.15/UT) Die Luft war heiß in der Aula am Fredenberg. Nicht nur, weil der Saal hoffnungslos überfüllt war. Viele, die ihre Empörung gegen die jüngsten Atommüll-Erweiterungspläne zu Schacht KONRAD zum Ausdruck bringen wollten, mussten in der Vorhalle bleiben. Von Seiten der Bundespolitik wurde permanent über Verantwortung geredet an diesem Abend, auch von Sicherheit (meistens von Rechtssicherheit); von den Menschen in dieser Region, das wurde schnell klar, war dabei nicht die Rede.

Das Podium war prominent besetzt:mit Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium (BMUB); Stefan Wenzel, Umweltminister Niedersachsen (NMU); Wolfram König, Präsident Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sowie Frank Klingebiel, Oberbürgermeister Stadt Salzgitter; Ursula Schönberger, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD, Wolfgang Räschke, 1. Bevollmächtigter IG Metall Salzgitter-Peine und Ulrich Löhr, 1. Vorsitzender Niedersächsisches Landvolk Braunschweiger Land. Für die Moderation hatten sich Armin Maus und Dr. Michael Ahlers, Braunschweiger Zeitung, bereit erklärt. Gemeinsame Veranstalter waren: die Stadt Salzgitter, die IG Metall, die Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V. und das Landvolk.

Oberbürgermeister Frank Klingebiel, der schon auf dem Vorplatz  als „einer, der zu uns steht“ begrüßt wurde, machte gleich zu Beginn der Debatte deutlich: „Wir wollen Schacht KONRAD nicht, nicht nach Wissenschaft und Technik und die Erweiterung schon gar nicht!

Politische Rollenspiele
Flasbarth, der mit gellenden Pfiffen begrüßt wurde und damit rechnete, dass man ihm vielleicht seine Vergangenheit als KONRAD-Gegner unter die Nase reiben könnte, kokettierte auf dem Podium nun mit seiner Rolle als Judas. Wir seien schließlich eine „Verantwortungsgemeinschaft“, sagte er und die Landespolitiker mit den Zwischenlagerstandorten drängten, dass Konrad schnell fertig und sie ihren Müll loswerden. Da könne er es in seiner jetzigen Rolle schließlich nicht verantworten, das Lager KONRAD, das genehmigt sei, neu überprüfen zu lassen anstatt es zu nutzen. Stefan Wenzel, der in diesem Politik-Triumvirat den dankbarsten Part inne hatte, erinnerte daran, dass es 1:15 gegen Niedersachsen stehe, und somit die Schieflage in Sachen Atommüll-Verantwortung bereits deutlich zum Tragen käme. Die Erweiterung für KONRAD lehnt er kategorisch ab und fordert eine Sicherheitsüberprüfung nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik.

Sicherheitsüberprüfungen fänden periodisch statt, beteuerte Wolfram König, der den Sicherheitspart übernommen hatte. Das Konzept der Nicht-Rückholbarkeit sei für ihn Arbeitsgrundlage. Dieses Konzept sei so beschlossen und müsse nicht hinterfragt werden. Der Planfeststellungsbeschluss sehe 500 Nebenbedingungen vor, die müssten abgearbeitet werden. Wie die Sicherheitsüberprüfungen konkret aussehen, und ob es eigentlich nur wieder um Rechtssicherheit geht, das ließ er zur offenen Interpretation frei. Im Übrigen schienen ihm, wie auch Flasbarth, technische oder geologische Fragwürdigkeiten und Sicherheitsmängel, deren Überprüfung kritische Wissenschaftler seit Jahren anmahnen, noch nicht zu Ohren gekommen zu sein.

Es geht nicht um Rollen, sondern um Menschen

Ulrich Löhr forderte statt Formaljurismus pragmatische  Lösungen und gesunden Menschenverstand. Die Tiefenverklappung von Atommüll sei mit ASSE II und Morsleben bereits zweimal gescheitert. Es sei doch irreal, den Fehler ein drittes Mal zu begehen. Räschke fühlt sich vor allem von Flasbarths und Königs Verständnisbekenntnissen verärgert. Für hochradioaktiven Müll solle eine sichere Lösung gefunden werden, aber die hunderttausend Menschen unserer Region sollen die Verantwortung für den schwach- und mittelaktiven Müll ganz Deutschlands übernehmen. „Für Sie fühlt sich anscheinend niemand verantwortlich.“ Und Schönberger, die sich schon seit Jahrzehnten mit KONRAD auseinander setzt, gab zu bedenken, nur weil die anderen Druck machen, solle Konrad kommen. „Der Druck aus Karlsruhe hat schon zum ASSE-Desaster geführt“ und nun sei es wieder Karlsruhe das auf die Fertigstellung von KONRAD drängen. Auf den Punkt brachte es Klingebiel: Er fühle sich zwar nicht in der Lage zu beurteilen, ob KONRAD für 300.000 m3 oder 600.000 m3 oder gar nicht geeignet sei, „aber wenn gar nichts überprüft wird, dann weiß es niemand“, deshalb müsse das Konzept auf den Prüfstand.

Konkrete Tatsachen statt Begrifflichkeiten

Während sich die KONRAD-Befürworter in ihrem Rollenspiel der Begrifflichkeiten verschanzten, waren es eher die Skeptiker, die konkrete Argumente vorbrachten. Schönberger etwa, wenn sie darauf verwies, dass es hier nicht nur um eine Standortinitiative gehe, die den Müll nicht haben wolle, sondern dass es gerade die Umweltaktivisten sind, die immer schon einen sorgfältigeren Umgang mit Atommüll angemahnt haben und eine Vorleistung in gesellschaftlicher Verantwortung gebracht hätten, indem sie eine umfassende Bestandsaufnahme der Atommüllstandorte in Deutschland vorgelegt hätten.

Am überzeugendsten waren die Menschen auf den Rängen,
die nicht länger Zuschauer sein wollten, wenn es um die Entscheidung ihrer Schicksale geht. Auch wenn nicht alle ihren Beitrag loswerden konnten, so wurde sehr schnell deutlich, dass die Menschen in der Region wirklich etwas zu sagen haben. Björn Harmening, Betriebsrat im VW-Werk zum Beispiel, attestierte der Bundesregierung ein Armutszeugnis, weil sie es nicht auf die Reihe bekäme, eine Auflistung der radioaktiven Stoffe zu machen, die tatsächlich anfallen. Auch die Nicht-Rückholbarkeit in dem alten Eisenerzbergwerk sieht er kritisch. Es sei eben nicht ungefährlich, wie der BfS-Chef behauptet, sondern es bestehe die Gefahr, dass in ein paar hundert Jahren Menschen dort das Erz abbauen wollen und dann auf immer noch hochgefährlichen Atommüll stoßen. Die Bleckenstedterin Rosemarie Streich, die den Prozess um KONRAD von Beginn an verfolgt hat, erinnerte an die Tricksereien und Weisungen, die den gesamten Prozess begleitet haben. Und der Physiker Professor Rolf Bertram, der die Inbetriebnahme von KONRAD für einen eklatanten Fehler hält, forderte, dass das Planfeststellungverfahren revidiert werden müsse.

Da hakt Schönberger nach. Sie fordert die Region auf, sich noch einmal „vehement gegen die Inbetriebnahme zu wehren, um am Ende“ – und damit weist sie auf die Erweiterungspläne hin – „nicht noch ganz anderen Dreck zu bekommen."