(So. 22-04-2018/KS) Mit dem neuen Standortauswahlgesetz wurde auch eine Neuordnung der Verantwortung im Umgang mit dem Atommüll und ein neues Finanzierungskonzept vom Bundestag beschlossen. Zu diesem Thema veranstaltete das Fachportal atommüllreport am Freitag, dem 20.4. in Hannover den Fachworkshop „Wem gehört der Atommüll“, an dem 40 Vertreter von Firmen, Behörden, Wissenschaft, Initiativen und Umweltverbänden teilnahmen.
Zunächst referierte die Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm über die Verantwortung im Bereich der Finanzierung. Der sog. staatliche Entsorgungsfonds ermöglicht es den privaten Betreibern von Atomkraftwerken, ihre Rückstellungen für den Atommüll einzuzahlen. Darüber hinaus können sie sich von der Nachhaftung freikaufen, indem sie zusätzlich rund 35% ihres Grundbetrages überweisen. Mit insgesamt knapp 24 Milliarden Euro haben alle Energieversorger das bereits erledigt und so die Haftung an den Staat übergeben. Diese Konstruktion setzt das Verursacherprinzip außer Kraft und verpflichtet den Steuerzahler, alle Kostensteigerungen zu tragen.
Thorben Becker vom BUND gab einen Überblick über die neuen Akteure. Neu geschaffen wurde das „Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit“ (regulator), das unter Fachaufsicht des Bundesumweltministeriums (BMU) steht. Neugegründet wurden Firmen für die Endlagerung und den Betrieb der Zwischenlager (operator), privatwirtschaftlich betrieben, aber im staatlichen Besitz, der ebenfalls vom BMU verwaltet wird. Personell speisen sich alle drei Einrichtungen aus dem Personal des Bundesamtes für Strahlenschutz und den alten Betreiberfirmen, die im Besitz der Energiewirtschaft standen. Entsprechend verstreut und vermischt sind die Büros der MitarbeiterInnen. Es wurde deutlich, dass es hier noch Reibungspunkte und Defizite gibt, insbesondere im Bereich Öffentlichkeitsbeteiligung und Personalausstattung. Wo zuvor staatliche Stellen die Aufsicht über private Betreiber führten, kontrolliert sich nun der Staat selbst: Atomaufsicht und Betrieb in einer Hand.
Burghard Rosen und Dr. Klaus-Jürgen Brammer von der BGZ (Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung) referierten über die Übergabe der 12 Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente sowie 12 Zwischenlager für schwach/mittel strahlenden Atommüll. Beide waren zuvor Mitarbeiter der „Gesellschaft für Nuklearservice“, einer 100% Tochter der 4 AKW-Betreiber, verfügen also über langjährige Erfahrung. Handelten sie vorher im Auftrag der Atomkonzerne, müssen sie jetzt mit ihnen über die Übergabe der Zwischenlager verhandeln. Diese werden inklusive der bestehenden Genehmigungen am 1.1.2019 bzw. am 1.1.2020 von den jetzigen Betreibern an die BGZ übergeben. Ziel sei, so Dr. Brammer, die Zwischenlager aus dem Betrieb der AKWs herauszulösen, mit einer eigenständigen Zuwegung, Infrastruktur und Sicherung zu versehen und personell eigenständig zu betreiben. Dies müsse Standort für Standort geklärt werden und sei bis zum 1.1.2019 nicht vollständig möglich. In Grohnde etwa sei dieser Zustand wg. der räumlichen Lage auf dem AKW-Gelände erst nach Abriss des AKW erreichbar. Klar ist auch, dass das am Standort Grohnde beantragte Zwischenlager für schwach/mittel strahlenden Müll bis auf Weiteres im Besitz von PreussenElektra sein wird, denn es steht nicht auf der BGZ-Liste. Der Vortrag zeigte, dass das Konzept der Übergabe offensichtlich mit der heißen Nadel gestrickt wurde und der Zeitrahmen völlig unzureichend ist. Zum Teil machten die Zustände einen geradezu chaotischen Eindruck.
Zum Schluss berichtete Hubertus Zdebel (LINKE), Mitglied des Bundestages und des Kuratoriums des Entsorgungsfonds, über die Schwierigkeiten, die sich beim Verwalten der Entsorgungsfondseinlagen ergeben. Aktuell niedrige bis teilweise Negativzinsen und viele andere Risiken und Unsicherheiten gefährden die später einmal benötigte Summe, die auf einem Zinszuwachs von 3,3% bis 4,5% beruht. Unsicher ist auch, in welche Finanzprojekte sozial- und umweltverträglich investiert werden kann. Hier sind politische und Lobbyeinflüsse von Bedeutung. Deshalb ist die Forderung nach Transparenz wichtig. Die Umsetzungsschwierigkeiten machen deutlich, dass im Vorfeld zu überstürzt beschlossen wurde.
Zusammenfassend ist festzustellen,
- dass die Betreiber, die nun aus der Haftung entlassen sind, das Ass gezogen haben, während der Steuerzahler den schwarzen Peter besitzt, weil er in Zukunft für die Mehrkosten aufkommen muss,
- dass mehr Transparenz bei staatlichen Behörden einzufordern ist, weil sich der Staat nun selbst kontrollieren wird, zumindest im Bereich Atommüll
- und dass bei der Neustrukturierung noch vieles ungeordnet erscheint.
Mehr Infos: Veranstaltungsbericht und Präsentationen als Download auf atommüllreport.de