(Mo.; 31.10.2016/UT) Das war eine gute Demonstration in Lingen. Galt die Stadt mit ihren Atomanlagen und den damit verbundenen Steuereinnahmen, als hartes Pflaster für Atomkraftgegner. Doch damit ist nun Schluss. Über 700 Demonstranten aus dem In- und Ausland zogen am Samstag im bunten Zug vom Lingener Bahnhof zum Marktplatz, um die sofortige Schließung der Brennelementefabrik in Lingen und der Urananreicherung in Gronau zu fordern. Treffpunkt Lingen: denn hier befindet sich die Achillesferse der Atomindustrie. Fiele die Brennstoffversorgung durch Lingen und Gronau aus, würde den maroden Atomkraftwerken in Grohnde, Tihange, Doel, Fessenheim oder Cattenom automatisch der Hahn abgedreht.
Die Betriebsgenehmigungen der Uranreicherung in Gronau und der Brennelementefabrik in Lingen sind unbefristet, d. h. sie sind nicht vom sogenannten Atomausstieg der Bundesrepublik betroffen! 78% der Brennelemente aus Lingen gehen ins Ausland. Sie beliefern auch die Pannenreaktoren in Belgien und Frankreich. Das sei eine Doppelstrategie, sagte der belgische Redner Marc Alexander in seinem Redebeitrag. Charlotte Mijeon aus Frankreich sah mit Sorge, dass diese Brennelemente in die französischen Pannenreaktoren eingesetzt würden. Obendrein hätte der französische Atomkonzern AREVA, der die Brennelementfabrik in Lingen betreibe, kein Geld und würde nun an Arbeitsplätzen und Sicherheit sparen.
Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen setzte hinzu, dass Umweltministerin Hendricks zwar behaupte, sie könne Atomkraftwerken im Ausland nichts tun, gleichzeitig unterzeichne sie aber die Liefergenehmigungen für jene Brennelemente, die diese Gefahr erst möglich machten. – „Aachen, Lingen und Belgien gehören zusammen“, versicherte auch Jörg Schellenberg aus Aachen und erzählte, dass Aachen nun sensibel geworden sei. Überall in der Stadt hängen „Tihange Stoppen“ Schilder. „Aachen ist gelb geworden“, so Schellenberg.
Das eine Problem lässt sich nicht vom anderen trennen. Der gemeinsame Kampf ist effektiver, als wenn jeder nur sein eigenes Süppchen kocht. Das klingt auch in dem Redebeitrag von Vladimir Silvyak an. “People in Russia, people in Germany spent a lot of time and energy to fight dangerous nuclear industry. When we united in our struggle - our cooperation becomes most effective.” Als Beleg für diese „effektive Zusammenarbeit“ führt er die Atommülltransporte von Gronau nach Russland an, die 2009 von deutschen und russischen Atomkraftgegnern gemeinsam gestoppt werden konnten.
Die Verflechtungen der Atomindustrie sind weltweit. Alles hängt zusammen. „Wir können es uns nicht erlauben, uns in unser Land einzuschließen, weil die Radioaktivität keine Grenzen respektiert“, brachte es der Belgier Marc Alexander auf den Punkt. Günter Hermeyer von Uranium Network schloss diesen Kreislauf mit seinem Beitrag über den Uranabbau im Niger. Von Menschen, die keine andere Erwerbsmöglichkeit sähen, als in den Minen zu arbeiten, die z.T. auch AREVA gehörten, berichtet er. „Tausende Arbeiter haben dort ihr Leben gelassen, weil sie nicht über die Gefahren ihrer Arbeit informiert wurden.“ AREVA verbrauche ihr Wasser, hochtoxischer, radioaktiver Abraum liege meterhoch unter freiem Himmel. „Radioaktiver Staub verbreitet sich über hunderte Kilometer und verseucht Land, Wasser und Menschen.“ Falls auch wir diesen Konzernen zur Macht verholfen hätten, dann sollten wir spätestens jetzt anfangen sie ihnen zu nehmen, so Hermeyer.
Die Brennelementefabrik in Lingen, ist ein kleines Rädchen in der Atommaschinerie, aber sie ist ein neuralgische Punkt, der ihren Lauf zum Stoppen bringen könnte.
Das war eine wirkungsvolle Demonstration in Lingen. Nicht unerwähnt bleiben sollten der Liedermacher Gerd Schinkel, die Peace Development Crew und nicht zuletzt der blaue Himmel, die zum Gelingen dieser Demonstration ihren Beitrag geleistet haben.
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