(Mo., 08.05.2017/UT) Zu einer galanten Teestunde am ersten Sonntag im Mai entführten die Protagonisten des 44. Asse-Konzerts ihr Publikum in der Schünemannschen Mühle in Wolfenbüttel. Das Berliner Trio, Anna Stieblich (Schauspielerin), Hans Gröning (Bariton), und Byron Knutson (Pianist), hatten eigens zur 9. Saisoneröffnung dieser Konzertreihe ein dramatisches Spiel um Liebe, Koketterie und Flirt konzipiert, das sie hier zur Uraufführung brachten. „Und es ist das ewig Eine“. Dieser Titel ist einem Goethe-Gedicht entnommen. Er suggeriert bereits, dass ein amouröser Schlagabtausch ins Haus stehen würde. Obwohl: Elisabeth Jürgens, Mitveranstalterin der Asse-Konzerte, gab zur Eröffnung zu bedenken, das ewig Eine, habe hier (in der Region, des „Weltatomerbes“) noch eine ganz andere Bedeutung: Das ewig Eine, der strahlende Atommüll.
Die Asse-Konzerte unterstützen die regionalen Antiatominitiativen, die Künstler verzichten auf ihre Gage und an diesem Sonntag ging es um Liebe, nicht um das Biest. Stieblich, die Frau, ging es schwärmerisch an, mit Goethe, dem Meister der galanten Liebe par excellence: „O Lieb‘, o Liebe, / So golden schön / Wie Morgenwolken / Auf jenen Höhn, /. Gröning parierte als Vogelhändler Papageno aus Mozarts Zauberflöte „Ein Mädchen oder Weibchen“, das erotische Knistern kann beginnen. Die Frau bleibt in Naturbildern, mit Adele Schopenhauers, die in „Lenzgebilden - ohne Schmerz“ den wesentlich älteren Goethe anschmachtet. Der Mann erwidert, wieder mit Mozart, als Figaro, als Don Giovanni. Mit der Arie „Deh vieni a la finestra“ versucht er die Auserwählte des Nachts ans Fenster zu locken.
Es wird Tee getrunken, Salonatmosphäre, die das erotische Spiel bricht. Knutson, der Pianist, mischt sich ein, spielt ein paar Takte. Die Frau würgt ihn ab, mit Blicken. Der Mann versucht es noch einmal mit dem Papageno. „Jetzt geht es wieder nur um Beischlaf“, so der Kommentar der Frau. Das anmutige Geplänkel in Wort und Gesang geht weiter. Der Pianist versucht sich mit seiner kleinen Melodie Gehör zu verschaffen, platzt in ein Gedicht von Hölderlin. Wird zurückgewiesen, auf später vertröstet. „In einer kleinen Konditorei“, heißt sein Lied. Und schließlich singen beide Kontrahenten in seltener Eintracht: „Du sprachst kein Wort / kein einziges Wort / und wusstest sofort / das ich dich versteh.“
Es folgten Schumannlieder von Gröning, gesprochene Gedichte von Stieblich, Knutson am Flügel, und immer wieder bissige Kommentare, die den Trialog dieser vergnüglichen Teestunde konterkarierten. Zum Abschluss gab es leicht Sinniges, Operettenlieder „so was mögen die Leute“ und viel Applaus vom Publikum.
Kunst schafft es eben immer wieder, neue Möglichkeiten zu kreieren, Atommüll jedoch, ist er einmal da, schafft unabänderliche Tatsachen. An diesem ersten Sonntag im Mai erschien die Kunst in Facetten der Liebe. Das Ungeheuer Atommüll, der eigentliche Anlass dieser Konzerte, blieb im Hintergrund, nur an den Infotischen sichtbar. Wie schön wäre es doch um die Welt bestellt, gäbe es diese Biester nicht. Nur leider ist nicht zu erwarten, dass Atommüll sich irgendwann einmal in etwas Schönes erlösen könnte.