22-07-16: IPPNW-Presseerklärung
Ein von der internationalen Ärzteorganisation IPPNW in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Juristin und Atomgesetzexpertin Dr. Cornelia Ziehm wurde heute in Hannover auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Demnach sind die grenznahen belgischen und französischen Atomkraftwerke nach deutschem Atomgesetz nicht genehmigungsfähig, woraus sich in logischer Konsequenz ergibt, dass Deutschland diese nicht mit Brennelementen aus Lingen beliefern darf. Das Gutachten untermauert die Forderung der Anti-AKW-Bewegung, die Brennelementefabrik in Lingen und die Urananreicherungsanlage in Gronau in den Atomausstieg miteinzubeziehen. Zahlreiche Initiativen und Verbände unterstützen IPPNW und fordern die Bundesregierung auf, die Exporte konsequent zu untersagen und rufen für den 29. Oktober zu einer Großdemonstration in Lingen auf. www.lingen-demo.de
IPPNW-Presseinformation
Rechtsgutachten zum Export von Brennelementen aus Lingen
Bundesregierung muss Brennstofflieferungen in die AKWs Doel, Fessenheim
und Cattenom stoppen
22. Juli 2016 /Trotz grundlegender Sicherheitsbedenken gegen die
grenznahen, maroden Atomkraftwerke Cattenom, Fessenheim und Doel
untersagt die Bundesregierung die Belieferung dieser Standorte mit
Brennelementen aus Lingen bislang nicht. Laut einem Gutachten der
Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm, das die Ärzteorganisation IPPNW in
Auftrag gegeben hat, dürfen Ausfuhrgenehmigungen für Brennelemente in
diese AKWs gemäß § 3 Atomgesetz nicht mehr erteilt werden. Bereits
erteilte Genehmigungen können oder müssen sogar widerrufen werden.
Die Brennelemente aus Lingen ermöglichten und ermöglichen den Betrieb u.
a. der genannten Atomkraftwerke. Die Bundesregierung und die
Bundesländer haben aufgrund von Sicherheitsbedenken gegenüber Belgien
und Frankreich bereits die Stilllegung der Anlagen gefordert. “Die
weitere Belieferung der Atomkraftwerke in Doel, Fessenheim und Cattenom
mit in Deutschland hergestellten Brennelementen ist in hohem Maße
widersprüchlich und nicht mit geltendem Recht vereinbar”, erklärt Dr.
Angelika Claußen, Vizepräsidentin Europa der IPPNW.
Wie Dr. Ziehm in dem Gutachten ausführt, ist nach § 3 Atomgesetz auch
die beabsichtigte Verwendung der zu exportierenden Brennelemente
relevant. Zwingende Genehmigungsvoraussetzung sei laut Atomgesetz, dass
die Verwendung der Kernbrennstoffe nicht die “innere oder äußere
Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland”gefährdet. Dabei
würdengrundsätzlich alle aus der Anwendung von Kernenergie
resultierenden Risiken erfasst. Eine Beschränkungauf eine militärische
Perspektive gebe es nicht. Erforderlich sei nach dem Atomgsetz zudem ein
Handeln bereits aus Vorsorgegründen und nicht erst zur Gefahrenabwehr.
Da objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass die Anlagen in
Doel, Fessenheim und Cattenom nach dem Atomgesetz nicht mehr betrieben
werden dürfen, dürften neue Ausfuhrgenehmigungen vom zuständigen
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nicht mehr erteilt werden.
Bereits erteilte Ausfuhrgenehmigungen könnten bzw. müssten widerrufen
werden. “Das wiederum bedeutet einen Exportstopp für Brennelemente aus
Deutschland in die Atomkraftwerke in Doel, Fessenheim und Cattenom”,
schlussfolgert Dr. Ziehm in ihrem Guachten.
2012 hatte die belgische Regierung beschlossen, dass Doel 1 und Doel 2
im April 2015 stillgelegt werden sollen. Dieser Beschluss wurde im
Dezember 2014 widerrufen. Die Laufzeiten von Doel 1 und Doel 2 sollen
stattdessen um zehn Jahre bis 2025 verlängert werden. Eine
Umweltverträglichkeitsprüfung im Hinblick auf die Laufzeitverlängerung
für Doel 1 und Doel 2 wurde nicht durchgeführt. Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz haben deswegen Beschwerde bei der EU-Kommission
eingelegt. Immer wieder kam es in den Doel-Reaktoren zu Störfällen. Im
Oktober 2014wurde bekannt, dass ein polizeibekannter Dschihadist bis
November 2012 für rund drei Jahre im Hochsicherheitsbereich des
Atomkraftwerks als Sicherheitstechniker gearbeitet hatte.
Über 5 Jahre nach Fukushima und 30 Jahre nach Tschernobyl ist
Deutschland nach wie vor von alternden Atomkraftwerken und einer
weiterhin aktiven Nuklearindustrie bedroht. Während die verbleibenden
acht deutschen Atomkraftwerke bis Ende 2022 abgeschaltet werden sollen,
bleibt die nukleare Infrastruktur unangetastet. Sowohl die
Brennelementefabrik in Lingen als auch die
Urananreicherungsanlage in Gronau verfügen weiterhin über eine
unbefristete Betriebsgenehmigung. Anti-Atomkraft-Initiativen aus
Niedersachsen und NRW fordern, dass sowohl die Brennelementefabrik als
auch die Urananreicherungsanlage in den Atomausstieg einbezogen werden.
Für den 29. Oktober 2016 ist dazu eine überörtliche Demonstration in
Lingen geplant, bei der auch grundlegend die sofortige Stilllegung aller
Atomkraftwerke und Atomanlagen gefordert wird.
Das Rechtsgutachen finden Sie unter
https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Exportstopp_Brennelemente_Lingen.pdf
Weitere Informationen zur Demo unter www.lingen-demo.de
und zur Lingen-Resolution http://bbu-online.de/AK%20Energie/Aktuelles%20AK%20Energie/Lingen-Resolution.pdf
Kontakt: Angelika Wilmen, Pressesprecherin Internationale Ärzte für die
Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung, Tel. 030 /
698074 -15, Email: wilmen@ippnw.de, www.ippnw.de
HerausgeberInnen dieser Pressemitteilung: Internationale Ärzte für die
Verhütung des Atomkriegs, Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) e.V.,
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V., Bundesverband
Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), Landesverband Bürgerinitiativen
Umweltschutz Niedersachsen (LBU), AntiAtomBonn, Arbeitskreis Umwelt
Schüttorf, Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau, Aktionsbündnis Münsterland
gegen Atomanlagen, Grohnde-Kampage, Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad,
SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster, AntiAtomEuskirchen, Aachener
Aktionsbündnis gegen Atomenergie, Nucléaire Stop Kernenergie (Belgien),
Elternverein Restrisiko Emsland, Landesarbeitskreis Atom des BUND NRW,
Enschede voor Vrede, Stichting Vredes- en Duurzaamheidsactiviteiten
Netwerkstad (Vedan), Documentatie- en onderzoekscentrum kernenergie
(Laka), Amsterdam