(Di., 15.01.19/EV) Im Engagement gegen das Interkommunale Industrie- und Gewerbegebiet blicken die Bürgerinitiativen in Salzgitter und Braunschweig auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Zusammen mit vielen Bürgern und einsichtigen Kommunalpolitikern in Braunschweig (BIBS, Grüne) und Salzgitter (Grüne, SPD mehrheitlich) gelang es, den ersten Anlauf eines riesigen Industrie- und Gewerbegebiets auszubremsen. Mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit in Informationsveranstaltungen, Infoständen, mit vielen Flyern und je einer informativen und aktuellen Homepage und in zahllosen Gesprächen mit Kommunalpolitikern wurden die Grundlagen für diesen Erfolg gelegt. Es geht um eine Fläche von über 3.000.000 m2, zu 80% versiegelt, mit bis zu 25 m hohen Gebäuden und im Zentrum Industrie mit 24 Stunden Lärm an 365 Tagen im Jahr. Eine sog. "Machbarkeitsstudie", die im Mai von den beiden OBs vorgelegt wurde, zeigte bereits, dass die Pläne nicht nur ökonomisch hochproblematisch, sondern auch ökologisch brandgefährlich sind. Aber streng geschützte Feldhamster und Feldlerchen kann man irgendwie umsiedeln; schließlich können die auch woanders graben bzw. fliegen. Bei der Ökonomie geht das leider gar nicht . Nur mit mindestens 65 Mio. € Landeszuschuss für den Bau neuer Straßen und einer zusätzlichen Autobahnausfahrt in Thiede wären die prognostizierten 5.000 LKWs und über 10.000 PKWs überhaupt zu meistern - eine Lärmhölle für die eh schon stark belasteten Anwohner inklusive. Die eminenten Gefahren für das Stadtklima Braunschweigs durch ein Gebiet in der Hauptwindrichtung wurden sogar völlig ausgeblendet. Die Ansiedlung atom-affinen Gewerbes ließe sich lediglich privatrechtlich ausschließen, so ein Rechtsgutachten. Sicherheit geht anders. Die Verheißung von 3.000 neuen Arbeitsplätzen als Hauptargument für die Kulisse beruhte auf unhaltbaren Annahmen einer Consultingfirma, spezialisiert auf das Durchsetzen von Industrie- und Gewerbeflächen. Weder wurde dabei in den Prognosen die anlaufende Digitalisierung berücksichtigt, noch die Tatsache, dass es 3.000 Fachkräfte auf dem Markt längst nicht mehr gibt. Auch der je nach Branchenmix stark differierende Arbeitskräftebedarf im geplanten Gebiet wurde lediglich mit fiktiven Durchschnittswerten angesetzt, genauer geht es wohl nicht. Dafür war die Vernichtung von über 300 ha Europas bestem Ackerland fest eingeplant - Boden, der zum überwiegenden Teil den Kommunen (v.a. Braunschweig) noch gar nicht gehört. Gesetzlich vorgeschriebene Ausgleichsflächen gleicher Qualität für existenzbedrohte Landwirte: Völlige Fehlanzeige! Aber dafür wurde die Überzeugung verbreitet, dass es nach 30 Jahren und mehreren Ausbaustufen für die Kommunen eine "schwarze Null" geben werde, eventuelle Wirtschaftskrisen selbstverständlich aus- und unbegrenztes Wachstum dafür eingeschlossen. Eigentlich war der Fahrplan klar: Die Machbarkeitsstudie zeigt die Machbarkeit und im Herbst 18 geht es mit Entwürfen für die Bebauungspläne weiter. Da diese Studie aber selbst für die Betreiber mit mehr offenen Fragen als Lösungsmöglichkeiten aufwartete, wurde statt dem folgerichtigen Ende, flugs die Idee einer weiteren Studie kreiert, die nun alles klären sollte. Kein Problem in Braunschweig, dafür umso mehr in Salzgitter. Salzgitter hat genug Industrie- und Gewerbeflächen, die schon infra-strukturell vorfinanziert über viele Jahre keine Käufer fanden. Weitere 30 Mio. € hätte Salzgitter für die Infrastruktur des neuen Gebiets in die Hand nehmen müssen, wo es noch nicht einmal für den Freikauf in Watenstedt als potenziellem, aber eigenem Industriegebiet reicht und über 400 Mio. € Schulden drücken. Ganz zu schweigen von 40 Mio. € Minus im aktuellen Haushalt. Da zogen viele Ratsmitglieder zurecht die Notbremse - mit einem Stimmenpatt, also denkbar knapp - wurde eine neue Studie abgelehnt. Das Echo aus Braunschweig und von Wirtschaftverbänden und Zeitungskommentatoren war scharf; "verpasste Chancen" noch die mildeste Kritik, dafür dann "auf der Basis von Fake-News", "unfassbares Desaster", "fortschrittsfeindlich", "Zukunft vergeigt", "peinlich", "Scherbenhaufen" usw. usf. Spätestens jetzt, wo auch dem Letzten klar sein muss, dass Salzgitter nicht einmal das Geld für eine weitere Machbarkeitsstudie hat, müsste man den Gegnern dankbar sein, dass sie unsinnige Ausgaben in vorerst sechsstelliger Höhe für eine folgenlose Studie den Kommunen erspart haben, von weiteren Folgekosten gar nicht zu reden. Denn spätestens bei der verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung wäre "Ende im Gelände". Doch wer jetzt glaubt "Aus" hieße "Aus", wird von Braunschweigs OB Markurth eines Besseren belehrt. "In zwei bis drei Jahren kommen wir wieder", wird er zitiert. Und im Flächennutzungsplan und im brandneuen Braunschweiger Stadtentwicklungskonzept (ISEK) sind die Planungen weiter enthalten (sie werden dort als derzeit "ruhend" bezeichnet). Daher werden die Bürgerinitiativen in Salzgitter und Braunschweig ihre Arbeit fortsetzen, zum Wohle und im Interesse der großen Mehrheit der Bürger beider Städte - bis die Planungen ihre ewige Ruhe finden. |
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