(Mi.,20.01.2016 /UT) Bundesumweltministerin Hendricks hatte Ihren Besuch in Salzgitter angekündigt. Die Stadt reservierte die große Aula in Fredenberg, aber so viel Öffentlichkeit wollte die Ministerin auch wieder nicht. Deshalb griff die Stadt, als höfliche Gastgeberin, auf die viel kleinere Kulturscheune zurück. In der, neben den Vertretern der Gebietskörperschaften, die den „Appell der Region“ unterzeichnet hatten und der Presse, lediglich ein Zehntel der Bürgerinnen und Bürger der Region Platz hatten, die „Gesicht zeigen“ wollten. Die übrigen - fast tausend KONRAD-Kritiker - die bei klirrender Kälte vor der Kulturscheune quasi kaltgestellt wurden, konnten sich lediglich an Feuertonnen und Tee wärmen, wenn sie dem Verlauf drinnen und der Übergabe des Appells auf einer kleinen Leinwand folgen wollten. Angemessen frostig harrte die ausgeschlossene Öffentlichkeit der Ankunft der Ministerin, doch diese benutzte lieber eine Hintertür. Auch für die Innenveranstaltung hatte das Bundesumweltministerium (BMUB) Vorsorge getroffen, um eine eigene Inszenierung durchzusetzen und ja gar keine Diskussion aufkommen zu lassen. So hatte es eine eigene Moderatorin angeheuert, wohl um der Ministerin und ihrer Gefolgschaft möglichst viel Redezeit zu sichern.
An KONRAD muss gerüttelt werden
lautet die Kernaussage des „Appells der Region“, den Oberbürgermeister Frank Klingebiel während seiner Begrüßung verlas und der, so Klingebiel, von der gesamten Region unterstützt werde. „Wir erwarten „jetzt“ eine Sicherheitsüberprüfung und nicht erst 2022“, betonte der OB. Die Entscheidungen zu KONRAD seien immer politische Entscheidungen gewesen. Die Kriterienauswahl, die jetzt zeitgemäß sei, müsse auch für KONRAD gelten.
Die Ministerin ließ die Forderungen des Appells links liegen und verlas stattdessen eine vorbereitete Rede, in der sie das Nationale Entsorgungsprogramm (NaPro) feierte, weil es einen verantwortungsvollen Umgang mit Atommüll gewährleiste, ausdrückliche Transparenz und zudem einem strikten Prinzip der Sicherheit folge. Ungerührt dessen, dass ihre Zuhörer mit dem NaPro und dem BMUB im letzten Jahr genau gegenteilige Erfahrungen gemacht hatten, ungerührt dessen, dass die Ministerin und ihre Gefolgschaft das auch wissen. Die Rede band Zeit, solange die Ministerin das Wort hat, kann ihr keiner widersprechen. Die Atomsphäre war jetzt auch im Saal frostig. Schließlich kam Frau Hendricks doch auf KONRAD zu sprechen: der Schacht müsse so schnell und sicher wie möglich in Betrieb gehen …
Die Sicherheit der selektiven Wahrnehmung
„Schnell und sicher ist ein Widerspruch“, warf Ursula Schönberger von der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD ein, die nun endlich ein Quäntchen Redezeit zugeteilt bekam. Wolfgang Räschke von der IG-Metall pflichtete ihr bei, „so sicher wie möglich“, fügte er hinzu „und nicht einfach politisch gesetzt“. In der Region hat es sich ja lange herumgesprochen, dass die Gutachten, die diese Sicherheit garantieren auf selektiver Wahrnehmung jener Wissenschaftler basieren, die diese Gutachten einst verfasst haben.
War doch die Maßgabe ihrer Auftraggeber gewesen die „Eignung“ von Schacht KONRAD zu prüfen und nicht die Unwägbarkeiten. Auch das wissen die Gefolgsleute der Ministerin. Ulrich Löhr vom Landvolk Braunschweiger Land brachte den Zwiespalt zwischen den Menschen in der Region und der Politik auf den Punkt. „Ich bin Landwirt“, sagte er, „wir denken in Generationen nicht in Wahlperioden.“
Appell des Zusammenhalts
Die übrigen Teilnehmer auf der Bühne, Oberbürgermeister und Landräte bekamen nun, wie bei einem Quiz, jeder eine Frage gestellt und so die Möglichkeit zumindest ein kurzes Statement abzugeben. Sogar drei Fragen aus dem Publikum waren zugelassen. Zumindest konnte Ursula Schönberger noch einmal das Wort ergattern, um konkret darzustellen, welche Sicherheitsvorgaben heute relevant seien, etwa die Anwendung der 3D-Seismik, wie sie jetzt in der Asse angewendet werde. Der Ministerin war anzumerken, dass solche Details ihr nicht ins Programm passten. Die Übergabe des „Appell der Region“ am Schluss ließ sie über sich ergehen, das gehörte zum Prozedere, darauf war sie vorbereitet. Die Region kämpfe weiter, verkündete Klingebiel am Schluss. Er sei stolz auf den Zusammenhalt in der Region.
Vertrauenssache
Ulrich Markurth, Oberbürgermeister von Braunschweig, hatte in seinem Statement gesagt: „Mit der ASSE wurde das Vertrauen so verletzt, das lässt sich kaum reparieren.“ Daran schien die Ministerin jedoch ebenso wenig interessiert, wie an dem harten Kern derer, die draußen an den Feuertonnen ausharrten. Warum die Ministerin eigentlich gekommen war, blieb ein ungelöstes Rätsel. „Besuch bei den Underdogs“, sagte einer.