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Konrad

„Mengenmäßig reicht ‚Konrad‘ sowieso nicht aus“

Ursula Schönberger

ausgestrahlt.de | Interview geführt von Armin Simon mit Ursula Schönberger, AG Schacht KONRAD

Der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer hat den Antrag auf Rücknahmebeziehungsweise Widerruf der Baugenehmigung für „Schacht Konrad“ vorläufig zurückgewiesen.

Ist das AtommüllLager unterSalzgitter noch aufzuhalten?
Ursula Schönberger:
Auf jeden Fall! Wenn der endgültige Bescheid kommt, werden wir die juristischen Schritte prüfen. Der Weg dafür ist schon bereitet. Parallel dazu muss die politische Auseinandersetzung weitergehen: Atomprozesse werden nie gewonnen, bloß, weil man recht hat. In die Hände spielt uns, dass immer deutlicher wird, dass sich „Konrad“ als „Endlager“ nicht eignet.

Woran ist das festzumachen?
Zum einen an den ständigen Verzögerungen. Die Genehmigung von 2002 ist aus der Zeit gefallen. Gerade erst hat die BGE eingeräumt,dass es doch wesentlich schwieriger wird, die heutigen Anforderungen an die Erdbebensicherheit nachzuweisen – und das ist nur einer von Hunderten Punkten. Zum anderen ist inzwischen klar, dass „Konrad“ gar nicht ausreicht für den gesamten schwach und mittelaktiven Müll: Es gibt weit mehr als die genehmigten 303.000 Kubikmeter.

Welche Rolle spielte das AtommüllLogistikzentrum, das in Würgassen entstehen sollte?
Schacht Konrad wurde ohne Logistikzentrum geplant. Inzwischen jedoch soll in jede Kammer so viel Radioaktivität gepackt werden,wie nur irgendwie zulässig. Um das hinzukriegen, brauchten sie das Logistikzentrum. Es war so wichtig, dass es nicht nur in einem Gesetz drinsteht, sondern auch in zwei Koalitionsvereinbarungen der Bundesregierung. Dennoch hat die Bundesumweltministerindas Projekt in Würgassen jetzt gekippt. Ein Erfolg des jahrelangen Protests! Aber ich denke, sie hat auch realisiert, dass der Plan einer schnelleren Einlagerung des Mülls in „Schacht Konrad“ sowieso nicht funktioniert– weil die Abfälle gar nicht schnell genug dokumentiert und konditioniert werden können.

Welche Folgen hat das für die Lager, in denender Müll derzeit liegt?
Die Vorstellung von Kommunal und Landespolitiker*innen, „Konrad“ werde ihnen den schwach und mittelradioaktiven Müll bald abnehmen, ist absurd. Die Abfälle werden noch Jahrzehnte bleiben, wo sie sind – und es ist dringend notwendig, sich darum zu kümmern. Zumal selbst dann, wenn „Konrad“ jemals in Betrieb gehen sollte, nicht klar ist, welcher Mülldort wirklich eingelagert werden darf. Zwar gelten dort beim Strahlenschutz bis heute nur die Sicherheitsanforderungen von 1983. Aber bei anderen Punkten, etwa der Einlagerung grundwassergefährdender Stoffe, muss sich die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) an die heute geltenden Regelungen und Grenzwertehalten. Das wird zunehmend schwierig.

Mengenmäßig aber… reicht „Konrad“ sowieso nicht aus. Manbraucht in jedem Fall einen weiteren Standort. Wie lange also will die Regierung noch an einem Projekt festhalten, das gar nicht abdeckt, was es soll? Das unter Sicherheitsaspekten absolut unakzeptabel ist? Das alleine bis zur Inbetriebnahme noch weitere 2,7 Milliarden Euro kosten soll, plus Betriebskosten, kalkuliert mit 3,6 Milliarden Euro, plus dieKosten der Schließung, für die es nicht mal einfertiges Konzept gibt? Anstatt zu sagen: Wirsuchen gleich einen neuen Standort, wo alles reinpasst, und bauen dort ein Endlagerbergwerk, das genau darauf ausgerichtet ist, diese Abfälle nach dem Stand von Wissenschaft undTechnik möglichst sicher zu verwahren – und geben „Konrad“ auf.

Das wäre die rein politische Lösung. Der eingereichte Antrag hingegen zielt darauf, die2002 erteilte Genehmigung für „Konrad“zu kippen. Der Umweltminister hat ihn ausformalen Gründen abgelehnt: Für eine Rücknahme sei die Frist abgelaufen…
…Dazu gibt es unterschiedliche juristische Auffassungen.

… und für einen Widerruf mangele es anneuen Tatsachen.
Auch darum werden wir uns juristisch streiten: Was sind neue Tatsachen – die gegebenenfalls einen Widerruf der Genehmigung begründen können – und was nur neue Bewertungen?
Etwa bei der Frage, ob man ein tiefengeologisches Atommülllager in einem alten Bergwerkerrichten darf, wie bei „Schacht Konrad“. Aus heutiger Sicht ist das ein No-Go, das bestreitet niemand mehr. Das Ministerium stuft es dennoch nicht als neue Tatsache ein – weil es keine entsprechende Verordnung gibt.

Gibt es nicht?
Nein. Die Politik weigert sich bis heute, die StrahlenschutzAnforderungen, die für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle gelten, auch für die Lagerung schwach und mittelaktiverAbfälle vorzuschreiben. Das ist wissenschaftlich nicht haltbar. Die Vorschriften auch für diesen Müll müssen endlich an den aktuellenStand von Wissenschaft und Technik angepasst werden, den das Atomgesetz fordert.

Meyer hat auf die zweite Phase der ÜsiKoverwiesen, der „Überprüfung der sicherheitstechnischen Anforderungen des Endlagers für radioaktive Abfälle Konrad“, deren Ergebnisse demnächst vorliegen sollen.Eröffnet das einen Weg, aus dem Vorhabenauszusteigen?
Bis jetzt sehe ich das nicht. Federführend ist die BGE – und das ist die letzte, die aus „Konrad“ aussteigen will. Deshalb wird da nichts rauskommen, was automatisch zur Aufgabe des Projektes führt. Andererseits sind in der ÜsiKo bereits Abweichungen von heutigen Sicherheitsanforderungen identifiziert worden, etwa die Gasbildung unter Tage, und da erhoffe ich mir schon, dass die zweite Phase ein paar Ansatzpunkte untermauert. Nur: Der politische Wille, „Konrad“ zu kippen, bleibt auch dann unabdingbar. Da müssen wir weiter Druck machen.

Ursula Schönberger ist Politikwissenschaftlerin und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad. Sie leitet u.a. das Projekt atommuellreport.de


Das Interview ist im Februar 2024 erschienen https://www.ausgestrahlt.de/media/ausgestrahlt-mag60.pdf