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Ministerin Seltsam - oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Mit der jetzt vorgelegten 17. Novelle des Atomgesetzes hebelt die Bundesregierung die Rechte von Bürgerinnen und Bürger aus. Diese Novelle darf nicht verabschiedet werden!

Worum geht es: Vor sieben Jahren haben das Oberverwaltungsgericht Schleswig und das Bundesverwaltungsgericht die Genehmigung für das Standortzwischenlager Brunsbüttel aufgehoben. Begründung der Gerichte: Der Schutz der hochradioaktiven Abfälle vor terroristischen Angriffen wurde vom Betreiber nicht nachgewiesen. Künftig soll ein solches Gerichtsurteil nicht mehr möglich sein. Nicht etwa, weil alle Zwischenlager gegen terroristische Angriffe geschützt werden. Nein, weil der Schutz vor einer atomaren Katastrophe infolge von terroristischen Angriffen (SEWD) einfach nicht mehr einklagbar sein soll.

Die Argumentation von Bundesministerin Schulze und ihrem Haus: Die Exekutive ist mit einer Vielzahl von Sachverständigen, insbesondere für Terrorismusabwehr und Kerntechnik, besonders gerüstet. Da die Genehmigungsbehörden vor Gericht aber aus Geheimschutzpflichten die getroffenen Erwägungen und Maßnahmen in den gerichtlichen Verfahren nicht vollständig offenlegen können, tendieren die Gerichte dazu, eigene fachliche Bewertungen an die Stelle der Bewertungen der Behörden und deren Sachverständigen zu setzen. Dies erschwert eine Verteidigung zutreffender Genehmigungsentscheidungen vor Gericht. Deshalb soll nun allein die Exekutive feststellen können, dass der Terrorschutz gegeben ist und dies nicht mehr gerichtlich überprüft werden können. Wichtig sei dies unter anderem, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass völkerrechtliche Verpflichtungen zur Rücknahme von Wiederaufarbeitungsabfällen aus dem Ausland nicht eingehalten werden können.

Diese Argumentation ist völlig absurd. Erstens haben alle Zwischenlager, in die Wiederaufarbeitungsabfälle eingelagert werden sollen, eine Genehmigung. Zweitens kann es ja wohl kaum sein, dass die Exekutive den Gerichten unterstellen will, dass seine Mitglieder Geheimnisse an Terroristen verraten. Also gibt es keinen Grund, die eigenen Erkenntnisse den Richtern nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit darzulegen.

Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wollenteit schreibt in einem Gutachten für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Greenpeace dazu: „Dem Bedürfnis der Exekutive nach Immunisierung behördlicher Entscheidungen vor Klägern und richterlicher Kontrolle sollen elementare Rechtsgrundsätze geopfert werden“ und kommt zu dem Schluss, dass das Vorhaben gegen die Verfassung verstößt.

Doch auch materiell birgt der Gesetzesentwurf große Gefahren. Paragraf 42 soll lauten:

„Ziele der Maßnahmen nach § 41 AtG für den Schutz kerntechnischer Anlagen und Tätigkeiten gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter sind die Verhinderung

  1. der Freisetzung oder Entwendung von Kernbrennstoffen oder ihrer Folgeprodukte in erheblichen Mengen und der missbräuchlichen Nutzung ionisierender Strahlung und
  2. der Entwendung von Kernbrennstoffen in Mengen, die zur Herstellung einer kritischen Anordnung ausreichen.“

Was aber ist „erheblich“? Ohne die Definierung klarer Grenzwerte ein sehr dehnbarer Begriff. Wenn die Ergebnisse nicht mal mehr gerichtlich überprüft werden dürfen, öffnet dieser Paragraf staatlicher Willkür Tür und Tor.

Warum muss nicht jedwede Entwendung von bombenfähigem Material verhindert werden? Wenn die Entwendung von Kernbrennstoffen aus zwei Anlagen für eine Atombombe ausreicht, die dann gezündet wird, waren wir dann ausreichend geschützt? Nach dieser AtG-Novelle schon.

Mehr Informationen:
Rechtsanawalt Dr. Ulrich Wollenteit: Stellungnahme zur 17. AtG-Novelle

BUND und Greenpeace: Gesetzgeber darf Gerichte nicht entmachten