(Fr., 05-07-13) Der 2011 beschlossene „Atomausstieg“ lässt uns nicht aufatmen, sondern lenkt das Augenmerk auf die Hinterlassenschaften dieser Phase der Stromerzeugung. Während für den hochradioaktiven Müll hektisch und noch vor der parlamentarischen Sommerpause ein Standortauswahlgesetz auf den Weg gebracht wurde, wird über die Verwahrung des schwach- und mittelradioaktiven Abfalls gar nicht mehr gesprochen. Dafür wird, ebenso hektisch, Schacht KONRAD weiter ausgebaut, obwohl sich die Probleme für einen Atommüllstandort Schacht KONRAD immer stärker abzeichnen. Schacht KONRAD ist nicht die Lösung! Im Gegenteil, es kaschiert lediglich die Konzeptlosigkeit von Politik und Atomindustrie.
1. Schacht KONRAD wurde ohne Auswahlverfahren zum Atommüllstandort erklärt
Das Standortauswahlgesetz sieht vor, dass vor der Bestimmung eines Atommüllstandortes für hochradioaktiven Müll, ein vergleichendes Auswahlverfahren stattfinden muss. Hierfür sollen Kriterien erarbeitet werden, die Sicherheitsstandards festlegen. Diese Standards müssten auch für schwach- und mittelaktiven Müll gelten. Stattdessen wurde die ehemalige Erzgrube Schacht KONRAD ohne wissenschaftliches und vergleichendes Auswahlverfahren zum Atommüllstandort bestimmt. Die Sicherheitsstandards wurden nicht im Vorfeld erarbeitet, sondern umgekehrt, für Schacht KONRAD passend gemacht. Signifikantes Beispiel hierfür ist die Umklassifizierung des deutschen Atommülls von „radioaktiv“ in „wärmeentwickelnd“.
2. Atommüll ohne Bestimmungsort - Konzeptlosigkeit
Es ist eine Illusion zu glauben, mit Schacht KONRAD wäre das Problem mit den sog. vernachlässigbar wärmeentwickelnden Abfällen in Deutschland gelöst. Es bliebe noch eine Menge Atommüll übrig, der hier nicht eingelagert werden kann. Dazu gehört der Asse-Müll, falls er je geborgen wird, grafithaltige Abfälle aus Jülich, eine große Menge uranhaltige Abfälle aus Gronau etc. Es müsste also mindestens ein drittes Lager gebaut werden. Fakt ist, dass es nicht einmal eine Bestandsaufnahme über das Atommüllaufkommen in Deutschland gibt. Am Festhalten des „Ein-Lager-Konzeptes“ Schacht KONRAD (für Atommüll mit „geringer Wärmeentwicklung“) tritt die Konzeptlosigkeit von Politik und Atomindustrie zu Tage. KONRAD scheint lediglich noch dazu zu dienen, diese Konzeptlosigkeit zu kaschieren.
3. Gefährliche Transporte
Wenn Schacht KONRAD in Betrieb gehen sollte, würde in den folgenden Jahrzehnten fast der gesamte schwach- und mittelaktive deutsche Atommüll per Bahn oder Straße durch das Braunschweiger Land transportiert werden: ca. 2300 Transporteinheiten jährlich. Die Strahlenmenge, die während der Transporte und der Verladung freigesetzt wird, gefährdet die ca. 15.000 Industriearbeiter, die in unmittelbarer Nähe arbeiten, aber auch die Menschen, die sich unwissentlich in der Nähe dieser Transporte aufhalten. Das gilt insbesondere bei unplanmäßigen Aufenthalten der Transporte oder schweren Unfällen. Es besteht die Gefahr, dass in solchen Fällen, die Ortsdosisleistung bei weitem überschritten wird. Eine kritische Studie, die sich an Höchstgrenzen und eines maximal anzunehmenden Unfalls orientiert, liegt bisher nicht vor, wird aber von den betroffenen Kommunen (Salzgitter und Braunschweig) verlangt.
4. Radon - die vergessene Strahlendosis
Das erzhaltige Gestein in Schacht KONRAD ist radonhaltig. Beim Auffahren neuer Hohlräume wird dieses radioaktive Edelgas freigesetzt. Das bedeutet: Allein durch den Ausbau der Erzgrube entsteht eine hohe Radonbelastung, die nicht nur bei den Einlagerungskriterien berücksichtigt werden müsste, sondern, da Radon als einer der Hauptverursacher von Lungenkrebs gilt, bereits während des Ausbaus überwacht werden. Dieses Gas gefährdet nicht nur die Arbeiter, die den Schacht ausbauen, sondern gelangt über die Abluft nach außen.
5. Problem bei der Sanierung des alten Bergwerks
Die Planungen für den Ausbau der Schachtanlage aus den 80er Jahren sind unrealistisch. Heute gilt die Erkenntnis, dass Atommüll nicht in alte Bergwerke eingelagert werden soll. Schacht KONRAD ist ein Bergwerk, das in den 60er Jahren abgeteuft wurde und aufwändig saniert werden muss. Es gibt Probleme mit der Statik und Rissen in den Schachtwänden, dadurch wird die Inbetriebnahme immer weiter nach hinten verschoben. Auch die finanziellen Annahmen haben sich als vollkommen unrealistisch erwiesen, zumal ein Ende der Sanierungsprobleme nicht abzusehen ist.
6. Nicht auf dem Stand von Wissenschaft und Technik
Würde Schacht KONRAD im Jahre 2021 tatsächlich in Betrieb genommen, wären die Sicherheitsanalysen für Schacht KONRAD dreißig Jahre alt. Wie hoffnungslos veraltet die zugrundeliegenden Modellrechnungen sind, wird allein dadurch deutlich, wenn man sich vor Augen führt, auf welchem Stand die Computertechnik Anfang der 90er Jahre war. Wenn heute im Rahmen des Standortauswahlgesetzes über höhere Sicherheitskriterien für hochradioaktive Abfälle diskutiert wird, müssen diese Maßgaben für alle anderen strahlenden Abfälle ebenso gelten. Der Fortschritt von Wissenschaft und Technik und der gesellschaftlichen Anforderungen an ein Atommülllager darf nicht einfach ignoriert werden, nur weil eine Genehmigung aus dem Jahre 2002 vorliegt.
7. Wiederholung des Asse-II-Desasters
Auch wenn von Seiten des Bundesamtes für Strahlenschutz Parallelen zwischen Schacht KONRAD und Asse II immer geleugnet werden, weil Asse ein Salzbergwerk und KONRAD eine Eisenerzgrube ist, können Analogien nicht geleugnet werden. Das Konzept für Schacht KONRAD ist das Gleiche wie für Asse II. Dabei gibt es nicht nur geologische und physikalische Parallelen wie Wasserzutritt oder Korrosion, sondern es waren dieselben Wissenschaftler und Behörden, die beide Bergwerke als Atommülllager befürwortet haben. Dieses Konzept ist gescheitert und muss ad acta gelegt werden, damit sich das Desaster in Asse II weder in Schacht KONRAD noch anderswo wiederholt
8. Trocken ist nicht trocken
Das Bergwerk Schacht KONRAD ist zwar im Vergleich zu anderen Eisenerzbergwerken trocken, doch ist daraus nicht das Resultat abzuleiten, die Grube sei absolut trocken. Etwa 16 m3 salzhaltiges Grundwasser dringen täglich ein. Das ist mehr als derzeit in Asse II. Nach seiner Schließung würde Schacht KONRAD ebenfalls absaufen, der Abfall korrodieren, Radionuklide und chemisch-toxische Stoffe würden in Lösung gehen. Über bisher nicht bekannte und erkundete Wegsamkeiten können sie an die Oberfläche gelangen.
9. Ewig ist nicht ewig
Zu den neusten Erkenntnissen von Wissenschaft- und Technik gehört, dass sich keine sicheren Aussagen zur Langzeitsicherheit machen lassen. Das gilt insbesondere für die Schachtanlage KONRAD, wo bestimmte Faktoren, die die Langzeitsicherheit beeinträchtigen könnten, gar nicht erst untersucht wurden. Dazu gehören zahlreiche Bohrungen auf der Suche nach Eisenerz, Öl und Gas aus den 30iger Jahren. Die geologische Barriere aus Ton wurde durchlöchert und es ist durchaus vorstellbar, dass genau hier die Radionuklide und chemisch-toxischen Stoffe, die sich im Grundwasser gelöst haben, austreten können.
Zu den Sicherheitsstandards von Atommülllagern muss die Möglichkeit der Rückhol- und Revidierbarkeit gegeben sein. Eben das lässt aber das Konzept für Schacht KONRAD nicht zu.