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Und bist du nicht willig...

(18.01.2021 / US) Am 13. Januar 2021 ordnete der Schleswig-Holsteinische Umweltminister Jan Philip Albrecht (GRÜNE) an, dass Abfälle aus dem Abriss des AKW Brunsbüttel auf den Deponien in Niemark (Lübeck) und Johannistal in Germersdorf (Kreis Ostholstein) zwangsweise endgelagert werden sollen. Garniert wurde die Anordnung mit dem Verweis des Ministers, dass Radioaktivität natürlich sei, jeder Mensch schließlich radioaktiv strahlen würde, der freigemessene Müll gar nicht radioaktiv sei und der Verzehr von Paranüssen mehr Strahlenbelastung hervorrufe als freigegebene radioaktive Abfälle. Es ist beeindruckend, wie die abstrusen Argumentationsmuster der Betreiber und Atomenergielobbyisten aus dem letzten Jahrhundert bei jungen Politikern heute wieder auftauchen.

Ja, es gibt natürliche Radioaktivität und nein, diese natürliche Radioaktivität ist nicht unschädlich! Sowohl Flugreisen als auch der unmäßige Verzehr von Paranüssen oder die Verwendung radonhaltiger Baustoffe führen zu einer Erhöhung des Risikos, an den Folgen der radioaktiven Belastung zu erkranken. Es gibt keine ungefährliche radioaktive Dosis. Dazu kommt, dass unterschiedliche Radionuklide unterschiedliche Wirkungen auf die verschiedenen Organe des Menschen haben. An einige natürliche Radionuklide hat sich der Mensch im Laufe seiner Evolution in gewissem Maße angepasst. An die künstlichen Radionuklide die durch die Atomenergienutzung erzeugt werden nicht.

… so brauch ich Gewalt

Die Anordnung des Ministers ist eine Bankrotterklärung des Dialogprozesses der Landesregierung. 2016 richtete der damalige Umweltminister Robert Habeck eine nicht-öffentliche Arbeitsgruppe mit Umweltverbänden, Kommunalen Spitzenverbänden, Verbänden der Entsorgungswirtschaft und Kraftwerksbetreibern ein. Ziel des war es, den Widerstand im ganzen Land gegen eine Deponierung der freigegebenen Abfälle aufzuheben. Allerdings kam Habeck z.B. Forderungen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Schleswig-Holstein (BUND) nach einem gleichberechtigten, ergebnisoffenen Dialog und Einbeziehung weiterer Stakeholder nicht nach. Die Ablehnung der Deponierung blieb, lediglich die Gemeinde Wiershop (Herzogtum Lauenburg) erklärte sich mit der Aufnahme freigegebener Abfälle aus dem AKW Krümmel einverstanden.   

Mit seiner Anordnung steht Minister Albrecht ganz in der Tradition seines Vorgängers. Hatte dieser doch nach dem gerichtlichen Entzug der Genehmigung für das Standort-Zwischenlager Brunsbüttel nicht nur angeordnet, dass die 9 Castor-Behälter auch ohne Genehmigung weiter vor Ort bleiben dürfen, sondern auch die Einlagerung weiterer 11 Castoren erlaubt.

 


Hintergrundinformation

Freigegebene radioaktive Abfälle strahlen weiter

Mittels chemischer und mechanischer Verfahren, Dampf- oder Sandstrahlen, Schleifen, Hobeln, Fräsen, Ultraschall oder Einschmelzen werden Oberflächenkontaminationen entfernt. So werden die radioaktiven Abfälle so lange behandelt, bis sie unterhalb der in der Strahlenschutzverordnung festgelegten Freigabewerte strahlen. Der Abfall wird „freigemessen“ und anschließend „freigegeben“, das heißt, aus dem Atomgesetz entlassen. Anschließend fällt er unter das Abfallrecht und Kreislaufwirtschaftsgesetz und wird wie konventioneller Müll behandelt. Das heißt jedoch nicht, dass dieser Müll nicht radioaktiv strahlen würde.

Die Strahlenschutzverordnung schreibt vor, dass für Einzelpersonen der Bevölkerung durch die freizugebenden Stoffe und Gegenstände nur eine effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert im Kalenderjahr auftreten kann. Die Freigabewerte sind im Sinne eines vorbeugenden Strahlenschutzes zu hoch. So fordern z.B. der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Ärzteorganisation IPPNW eine Abkehr von diesem 10-Mikrosievert-Konzept. Der Zusammenhang zwischen der Radioaktivität in den freigegebenen Materialien und den möglichen Strahlenbelastungen für Personen aus der Bevölkerung wird durch Modellrechnungen hergestellt. De facto wird der Abfall also eigentlich gar nicht „freigemessen“, sondern „freigerechnet“. Es gibt aber Szenarien, in denen ein Mensch einer höheren Direktstrahlung durch freigegebene Abfälle ausgesetzt ist, als die Modelle ergeben.

Einsparungen durch Freigabe radioaktiver Abfälle

Verkleinerung des Volumens ist das oberstes Ziel bei der Behandlung radioaktiver Abfälle. Schließlich kostet ein Kubikmeter Einlagerungsvolumen in einem Atommülllager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle nach heutigen Schätzungen ca. 25.000 Euro.

Für die Kosten der Zwischen- und Endlagerung kommt der staatliche Entsorgungsfonds auf, in den die Energiekonzerne Geld einbezahlt haben. Wenn das Geld nicht ausreicht sind jedoch nicht die Konzerne haftbar, sondern der/die Steuerzahler*in.  Im Entsorgungsübergangsgesetz von 2017 hat der Gesetzgeber die Freigabe gesetzlich vorgeschrieben und festgelegt, dass die öffentliche Hand keine radioaktiven Abfälle in den staatlichen Zwischenlagern annimmt, die nach geltender Rechtslage durch Freigabe aus dem Atomrecht entlassen werden können.