(11.03.2022/ Juliane Dickel) Elf Jahre Havarie des japanischen Atomkraftwerks Fukushima und kein Ende in Sicht. Am 11. März 2011 erschütterte ein Beben der Stärke 9 auf der Richterskala die japanische Ostküste, gefolgt von einem Tsunami. 15.900 Personen starben, 2.523 gelten weiter als vermisst. Wie die japanische Tageszeitung Asahi Shimbun unter Berufung auf die Nationale Polizeibehörde berichtet, wurde zuletzt im vergangenen Jahr eine Vermisste tot auf einem Fabrikgelände gefunden.
Infolge der Naturkatastrophen ereignete sich in drei der sechs Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima eine Kernschmelze, über 100.000 Anwohnende mussten fliehen. Vor der Reaktorkatastrophe waren in Japan 54 Reaktoren am Netz, derzeit sind es gerade einmal zehn mit einem Anteil von 5,1 Prozent an der Stromerzeugung. Zwar will die Regierung einen umfangreichen Wiedereinstieg, Widerstand aus der Bevölkerung und erfolgreiche Klagen gegen Wiederinbetriebnahmen haben das aber bisher verhindert.
Müllhalde Meer
Zuletzt war das AKW Fukushima aufgrund des Wassermanagements in den deutschen Schlagzeilen. Die japanische Regierung hatte bewilligt, große Mengen kontaminierten Wassers, das seit der Katastrophe permanent zum Kühlen der havarierten Reaktoren verwendet wird, ins Meer abzulassen. Eine Umfrage der Zeitung Asahi Shimbun unter den Bürgermeister*innen von 42 Städten und Dörfern in den Präfekturen Iwate, Miyagi und Fukushima zeigte, dass knapp 60 Prozent dies als „inakzeptabel“ oder „eher inakzeptabel“ einstuften. Begründet wurde das unter anderem mit dem befürchteten Imageschaden für die Fischereiindustrie.
Zwar wurde das Wasser aufbereitet, allerdings können nicht alle radioaktiven Substanzen herausgefiltert werden und auch das Verfahren selbst bleibt in der Kritik. Daher sorgte auch ein Flugblatt der Regierung für Aufsehen, das an Schulen verteilt wurde und propagierte, das Wasser sei per se sicher. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA hat Untersuchungen vor Ort angestellt und will im April dieses Jahres einen Bericht zum Umgang mit dem kontaminierten Wasser veröffentlichen. Neben den regionalen Fischerei-Verbänden, kritisieren auch Südkorea und China die Pläne seit langem.
Erste Krebs-Klage wegen Reaktorkatastrophe
Sechs Menschen haben Ende Januar den AKW-Betreiber TEPCO wegen Schiddrüsenkrebs infolge der Reaktorkatastrophe vor dem Bezirksgericht Tokio verklagt. Es ist die erste Klage dieser Art. Die Kläger*innen, die zum Zeitpunkt der Katastrophe zwischen 6 und 16 Jahre alt waren, fordern Schadensersatz in Höhe von 616 Millionen Yen (4.8 Millionen Euro).
2019 bestätigte bereits ein Gericht die Verantwortung der japanischen Regierung und des Betreibers für die dreifache Kernschmelze und verurteilte sie zu einer Entschädigung von 420 Millionen Yen (3,3 Millionen Euro). Der Grund: Wegen unzureichender Sicherheitsvorkehrungen, habe die Regierung das Recht der Opfer auf ein friedliches Leben gebrochen.
Die Stadt Futaba erlaubt ersten Anwohner*innen wieder, nicht nur ihre Häuser in der Evakuierungszone zu besuchen, sondern dort auch zu übernachten. Dies gilt vor allem für die Orte, wo von einer Aufhebung der Evakuierungsanweisung Mitte des Jahres ausgegangen werden kann. Laut Japan Times hatten Ende 2021 3.613 Personen eine Aufenthaltserlaubnis. Allerdings hätten viele ihre Häuser bereits abgerissen und nur 15 Personen aus 11 Haushalten hätten sich bislang für eine Übernachtungserlaubnis beworben.
AKWs nicht bombensicher
Die Sicherheit japanischer Atomkraftwerke im Kriegsfall war mit Blick auf die Ukraine und die Situation der Atomanlagen Tschernobyl und Saporischschja auch Thema im Wirtschafts- und Industrieausschuss des Repräsentantenhauses am 9.März. Wie die Tageszeitung Tokio Shimbun berichtet, erklärte der Vorsitzende der Nuklearregulierungsbehörde, dass bei einem Raketeneinschlag in ein japanisches AKW mit der Freisetzung radioaktiven Materials gerechnet werden müsse. Das Fazit eines Abgeordneten der Konstitutionell-Demokratischen Partei Japans: „In Anbetracht der Risiken von Erdbeben, Terrorismus und Angriffen in Kriegen, müssen Atomkraftwerke abgeschaltet werden.“
Sayonara Nukes ruft für den 21.März zu einer Demonstration in Tokio auf, gegen Atomkraft und für den Frieden in der Ukraine. Sayonara Nukes Berlin organisierte bereits am 5.März eine Demo, mahnend, dass Atomkraft und deren Einstufung durch die Europäische Kommission gemeinsam mit Gas als nachhaltige Energieerzeugung ein fataler Irrweg seien. Denn wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) anlässlich des Jahrestags der Reaktorkatastrophe festhält: Rufe nach der Rückkehr zur Atomkraft sind haltlos und zynisch – Energiewende schafft Frieden und Sicherheit.
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