(So., 26.04.2020/MN) Mit dem Titel Tschernobyl brennt beginnt die Pressemitteilung der Ärzte-Organisation IPPNW - Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. - vom 24.04.2020 und bezieht sich damit auf die seit Wochen lodernden schweren Waldbrände nur wenige Kilometer entfernt von den Reaktorgebäuden.
Am 26. April jährt sich die Katastrophe von Tschernobyl zum 34. Mal. Eine ganze Generation ist es her, dass der Reaktor in die Luft flog, die Folgen sind noch lange nicht im Griff. Flora und Fauna haben sich durch den radioaktiven Fallout und die damit verbundene extreme radioaktive Belastung dramatisch verändert; die Auswirkungen auf Mensch, Flora und Fauna in der Zukunft sind weiterhin nicht vorhersehbar.
Grund genug, dass wir uns an die Reaktorkatastrophen von Harrisburg 1979, Tschernobyl 1986, Fukushima 2011 erinnern - das sind drei Reaktorkatastrophen in 41 Jahren. Wann kommt es zum nächsten Super-GAU (größten anzunehmenden Unfall)? In den nächsten 10 - 20 Jahren, so wie es Wissenschaftler vielfach berechnet haben.
Die Situation 1986 in Tschenobyl: Damals verteilte sich der radioaktive Fallout großflächig über Westeuropa; viele von uns erinnern sich an die damalige Situation - Angst vor Regen und radioaktivem Fallout, Kinder durften nicht auf Spielplätze und in die Sandkisten, es gab erhöhte Werte von Radioaktivität, Grenzwerte für Frischmilch und Blattgemüse wurden überschritten, vor dem Verzehr von Pilzen und Wildfleisch wurde gewarnt. Eine Ausnahmesituation für alle - egal ob sie vergleichbar oder nicht vergleichbar ist mit der heutigen Ausnahmesituation durch den Corona-Virus; allerdings verursacht durch die Nutzung von Atomenergie und den damit verbundenen Risiken.
Die Situation 2020 in Tschenobyl: Seit dem 3. April brennt der Wald in unmittelbarer Nähe des havarierten Atomkraftwerks Tschernobyl. Davon sind mehr als 40.000 Hektar betroffen. Die Feuer sind bis auf wenige hundert Meter an den Sarkophag herangekommen, der den Großteil der hoch-radioaktiven Überreste des Super-GAUs vom April 1986 umschließt. Ein Sandsturm am vergangenen Dienstag entfachte die Feuer erneut. Laut Augenzeugen näherten sich die Flammen dem Unglücksreaktor damit auf bis zu 200 Meter. Die näher rückenden Feuerherde bedrohen die Stromversorgung der Reaktorgebäude und Abklingbecken. Die nahe gelegene Hauptstadt Kiew ist in schwere Rauchschwaden gehüllt.
Die Waldbrände wirbeln radioaktive Partikel im Waldboden auf und gelangen in die Luft bzw. Rauchwolken und dadurch in die Atemwege der Menschen in der Region. Wenn die durch die Brände aufgewirbelten Stoffe in Wasser oder Nahrungsmitteln landen, können sie von Menschen oder auch Tieren inkorporiert werden.
Tausende zusätzliche Feuerwehrleute wurden in die Sperrzone beordert. "Sie sind für diesen Einsatz aber nicht ausreichend geschützt vor den stark erhöhten Strahlenwerten vor Ort“, so Dr. Alex Rosen von IPPNW Deutschland.
Auch 1986 wurden mehr als 800.000 sogenannte Liquidator*innen aus der gesamten Sowjetunion in die Sperrzone gebracht, um dort teilweise mit bloßen Händen verstrahlte Grafitbrocken umzuwuchten und die Feuer im Inneren des Reaktorkerns zu bekämpfen. Die Mehrheit von ihnen bezahlte einen hohen gesundheitlichen Preis für ihren Einsatz: Die Liquidatoren sterben bzw. starben etwa fünf Mal so häufig wie ihre Altersgenossen bzw. leiden massiv an Erkrankungen, die durch die extreme Strahlenbelastung verursacht wurde, der sie ausgesetzt waren.
Anlässlich des Jahrestages organisieren verschieden Anti-Atom-Gruppen Veranstaltungen (unter Einhaltung der Corona-Abstandsregeln / eingeschränkter Teilnehmerzahl / Tragen von Schutzmasken für Mund und Nase), die an die Atomkatastrophe in Tschernobyl erinnern. Und auch daran erinnern, dass das Atommüllproblem weiterhin ungelöst ist - bei uns wie auch in allen anderen Staaten.
Mit einer genehmigten Mahnwache wurde in der Innenstadt von Gronau (NRW) bereits am Samstag (25. April) an die Atomkatastrophe vor 34 Jahren in Tschernobyl erinnert. Gleichzeitig wurde mit der Aktion, an der sich 10 Personen beteiligten, vor den Gefahren der hiesigen Atomanlagen einschließlich der Gronauer Urananreicherungsanlage, sowie vor Atomtransporten, gewarnt. Die Beteiligten hielten 1,5 Meter Sicherheitsabstand voneinander, außerdem wurden Gesichtsmasken getragen.
In Lingen (Niedersachsen) finden bzw. fanden direkt am Jahrestag der Tschernobylkatastrophe am Sonntag, den 26.4.2020 gleich zwei Mahnwachen statt - um 16 Uhr sowie um 18 Uhr vor dem Alten Rathaus in Lingen. Die Organisatoren erinnern damit an die immer noch erheblichen Radioaktivitäts-Probleme rund um Tschernobyl sowie an die zahlreichen Störfälle in den Atomanlagen in Lingen.
Der Protest muss und wird weitergehen, gegen die laufenden Atomkraftwerke, die die Atommüllberge weiter anwachsen lassen, gegen die Uranfabriken in Gronau und Lingen, gegen das geplante Bereitstellungslager für Schacht KONRAD in Würgassen und die Inbetriebnahme von Schacht KONRAD.