(Do., 7.8.14/Baitinger) Der BUND kritisiert erneut die weiter um sich greifende Praxis der Verbringung von radioaktivem Abfall aus dem Rückbau von Atomkraftwerken in Abfallbehandlungsanlagen. Nachdem im November 2013 bereits 50 Tonnen PCB- haltigen Mülls des Alt-AKW Würgassen in Herne „verbrannt“ wurden, sollen nunmehr 350 Tonnen dieses Abfalls wiederum in einer Bodenbehandlungsanlage „thermisch behandelt“ werden. Zum Umgang mit den entstehenden Verbrennungsrückständen, dem Wasser und der Abluft gibt es keine Angaben.
„Alle Jahre wieder?“, fragt sich der BUND NRW, als er von diesem Vorhaben am 25. Juli 2014 erfuhr, nachdem die abfallrechtlichen Überwachungs- und Genehmigungsbehörden Anfang letzten Jahres vom Umweltministerium NRW per Erlass angewiesen wurden, sowohl die Standortgemeinden als auch die Naturschutzverbände vor Verbringung radioaktiver Abfälle in Abfallverbrennungsanlagen und auf Deponien ihres Gemeindegebietes zu informieren. Bislang wurde diese Methode der sogenannten Entsorgung unbemerkt von der Öffentlichkeit seit Jahren auch in NRW praktiziert, wie eine Anfrage des Verbandes beim Umweltministerium vom vorletzten Jahr ergab, aus der hervorging, dass allein auf der nahen Hausmülldeponie in Höxter-Wehrden von 2000 bis 2012 1922 Tonnen nicht wärmeentwickelnder „Würgassen-Müll“ abgelagert wurden.
Rechtliche Grundlage für die Vorgehensweise ist die Strahlenschutzverordnung, die in § 29 die Freigabe von Strahlenmüll unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Dieser Müll, vornehmlich aus dem Rückbau von Atomkraftwerken, der für einzelne Nuklide unzulässig hohe Werte aufweisen kann, wird beim Verlassen des atomrechtlichen Kontrollbereiches „freigemessen“, ohne dass es einen Nachweis über den endgültigen Verbleib gibt. So entwickelt sich die Bundesrepublik zunehmend in ein flächendeckendes Atommülllager für nicht wärmeentwickelnden Nukelarabfall.. Inzwischen weisen die ersten Sickerwässer von Deponien Radionuklide auf, die nicht natürlichen Ursprungs sind.
Das in allen Bereichen des Umweltschutzes verbotene Prinzip der Verdünnung von Schadstoffen wird zugunsten eines billigen Sich-Entledigens zum Prinzip erklärt – auf Kosten der Menschen, die keine Möglichkeit haben, sich gerichtlich gegen diese Form der Kontamination zu wehren: Keiner weiß mehr, wo die kontaminierten Filterstäube, Aschen und Schlacken aus den Verbrennungsanlagen hinkommen. Sie sind nicht rückholbar. Das diesem „Entsorgungsweg“ zugrunde liegende sogenannte 10-Mikrosievert-Konzept der derzeit gültigen Strahlenschutzverordnung ist unserer Auffassung nach reine Augenwischerei.
Angesichts des zu erwartenden hohen Abfallanfalls durch den nunmehr fast gleichzeitig einsetzenden Rückbau abgeschalteter Atomkraftwerke ist zu erwarten, dass Deutschland zu einer Atommülldeponie ungeahnten Ausmaßes wird – die rein statistisch dadurch zu erwartenden Krebstoten werden als Fischerscher „Kollateralschaden“ zugunsten einer für die Stromgesellschaften billigen Atommüllbeseitigung billigend in Kauf genommen. Der aufgrund Art. 2.2 GG grundgesetzlich verbriefte Anspruch der Bevölkerung auf Risikovorsorge und Schutz der Lebensgrundlagen wird – wieder einmal - mit Füßen getreten.
Claudia Baitinger ist Sprecherin des Arbeitskreises Atom des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen des BUND, Kontakt: Claudia.Baitinger(at)bund.net