Unternehmerphilosophie
Anpassungsfähigkeit ist eine der begehrtesten Eigenschaften auf dem heutigen Arbeitsmarkt. Gewünscht ist der Arbeitnehmer, der sich möglichst geschmeidig in das Firmenkonzept einfügt. Der besten Mitarbeiter dient ausschließlich als Rädchen im Unternehmensapparat, beliebig und austauschbar.
Diese Strategie des reibungslosen Ablaufs verfolgt die Atompolitik schon lange, besonders wenn es um die Verwahrung von Atommüll geht. Nichts darf das einmal beschlossene Konzept stören, und schon gar nicht so kontraproduktive Forderungen wie festgelegte Sicherheitsstandards. Wenn es irgendwo Reibungspunkte gibt, dann werden sie möglichst rasch und unauffällig beseitigt, die Situation an die Bedürfnisse von Politik und Atomwirtschaft angepasst.
Nachdem (beispielsweise) die Atommüllproduzenten festgestellt hatten, dass das genehmigte Radionuklidspektrum für Schacht KONRAD vorne und hinten nicht reicht, wurde es kurzerhand und ohne Bürgerbeteiligung erweitert bzw. an die Bedürfnisse der Atomindustrie „angepasst“, wie auf der Homepage des Bundesumweltministerium zu lesen ist. Für die radioaktiven Altlasten der Wismut GmbH wurden die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung einfach angepasst, will heißen, hier gelten per Sonderregelung noch die höheren Grenzwerte der ehemaligen DDR. Auch die Methode des „Freimessens“ ist einer Anpassung an die Bedürfnisse der Stromkonzerne geschuldet. Kann doch nun ein Großteil des radioaktiven Mülls einfach aus dem Atomgesetz in die Freiheit entlassen werden. Und mit der Umklassifizierung von schwach- und mittelradioaktiven in vernachlässigbar wärmeentwickelnden Müll haben sich ganz neue Möglichkeiten für die Bewertung des Gefährdungspotentials aufgetan.
Wenn also Grenzwerte beliebig hoch- oder heruntergesetzt werden, Radionuklidspektren erweitert und Maßeinheiten beliebig verändert werden können, wer muss sich da noch länger den Kopf zerbrechen? Die Philosophie der Anpassung enthebt uns all unserer Atommüllsorgen.
Antonia Uthe