„Der Castor kommt!“ Castor, ein Held aus der griechischen Götterfamilie. Doch was sich hinter seinem Namen verbirgt, ist nichts weiter als die etwas eigenwillige Abkürzung für „Cask for storage and transport of radioactive material“ - einem Behälter also, zum Transport und zur Aufbewahrung von radioaktivem Material.
Ein Mythos ist in die Technik abgewandert. Und der fragliche Held? Er hat dabei seine Einmaligkeit eingebüßt. Sind doch auf bundesdeutschen Schienen und Straßen ständig Castortransporte unterwegs und - mal abgesehen von den furorestiftenden Transporten ins Wendland - fast immer heimlich und unbehelligt.
War es eine Laune der Konstrukteure oder gar Hochmut, diesem Behältertypus einen mythischen Namen zu verleihen? Eine fragwürdige Wahl jedenfalls, da die Vaterschaft des Zeus und somit die göttliche Abkunft des Helden Castor heftig umstritten ist. Zugleich stellt sich die Frage: Was hat eigentlich ein Behälter für radioaktives Material mit einem Mythos gemein? Und klar, die Antwort liegt quasi auf der Straße. Wenn der Kern des Mythos - wie Philosophen behaupten - darin besteht, unsere kulturelle Wirklichkeit zu formen und zu übertragen, so wird wohl jeder sofort verstehen, dass unsere heutige Gesellschaft kaum eine kulturelle Errungenschaft hervorgebracht hat, die zählebiger ist als Atommüll. Und spricht da nicht auch so etwas wie Bescheidenheit aus der Wahl der Konstrukteure? Schließlich haben sie für den Transport unserer kulturellen Hinterlassenschaft einen gebrauchten Mythos aus der Antike geborgt, anstatt sich einen eignen zu schaffen.
Die Crux ist nur, wenn die Castoren längst verrottet sind, wird der Atommüll noch weiter strahlen. Und Kultur hin oder her, das ist kein Mythos.