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Antonias Wörterbuch

E - Ethische Frage

Einbahnstraße der Möglichkeiten | Das Jahr neigt sich seinem besinnlichen Ende entgegen, da hat uns der Herr König - Chef des Strahlenschutzamtes - eine Denkaufgabe mit in die Feiertage gegeben. Das Festhalten am Atommüllprojekt Schacht KONRAD sei eine „ethische Frage“, verkündete er die Tage in einem Zeitungsinterview. Pflichtbewusst habe ich mich gleich an die Beantwortung dieser Frage gemacht und bin kläglich gescheitert. Fragen stellen, heißt ja in seinem ureigentlichen Sinn, dass mehrere Antworten möglich sind, zwischen denen abgewägt werden muss. Gäbe es nur eine Möglichkeit, dann hätten wir es nicht mit einer Frage, sondern bereits mit einer Antwort zu tun oder sogar mit einer Festlegung. 

Wäre Schacht KONRAD tatsächlich das Resultat eines Nachfragens und Abwägens zwischen Alternativen, hätten wir also bereits ein Ergebnis vorliegen, dann wäre das keine Frage, sondern allenfalls eine ethische Antwort. Hätten wir es mit einer Festlegung zu tun, dann wäre es keine ethische Antwort, sondern Willkür.

Ethik bedeutet Handeln nach moralischen Grundsätzen, die einem Gemeinwesen zugrunde liegen, damit es funktioniert. Das grundlegende Prinzip der Ethik hat der Philosoph Kant in seinem berühmten Kategorischen Imperativ formuliert: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Prinzip werde“. Anders ausgedrückt: Wenn es ein allgemeiner Grundsatz wäre, dass ich mir jederzeit nehmen könnte, was mir gefällt, dann müsste ich auch akzeptieren, dass jeder andere das Recht hat mir etwas wegzunehmen. Aber Diebstahl, Korruption und Preisabsprachen gehören eben nicht zu den ethischen Grundsätzen.

Ob der Herr König selber so eng  mit ethischen Grundsätzen vertraut ist? Ich hege da meine Zweifel, jedenfalls, wenn es um die Gefährlichkeit radioaktiver Abfälle geht. Was an Müll für KONRAD vorgesehen ist, besitze nur ein einziges Prozent der Radioaktivität aller Atomabfälle, sagt er. Das klingt harmlos. Anderseits sagt er auch, der herumliegende Atommüll müsse unbedingt ganz schnell aus den unsicheren Zwischenlagern weg. Das klingt nach Gefahr. Überhaupt, warum müssen harmlose Abfälle eigentlich so kostspielig, aufwändig und tief in der Erde verbuddelt werden? Eine Maxime lässt sich aus dieser Argumentation nicht herauslesen...

Doch in diesen besinnlichen Tagen hat Herr König ja vielleicht Zeit zum Nachdenken. Ein allgemeines Prinzip für Atommüll wird er wohl nicht finden, aber möglicherweise ein paar Fragen?

Antonia Uthe