(16.09.2023 | US) Vor 25 Jahren, am 26. September 1998 errangen die Gegner*innen der Einlagerung von radioaktiven Abfällen in das alte Salzbergwerk Morsleben in Sachsen-Anhalt vor Gericht einen durchschlagenden Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg stoppte die Einlagerung und entschied, dass für den Weiterbetrieb neue Genehmigungen eingeholt werden müssten, worauf Betreiber und Bundesregierung aber verzichteten.
Nach intensiver Vornutzung – Salzabbau, unterirdischer Rüstungsproduktion im Nationalsozialismus, Broilerzucht in der DDR – nutzte die DDR-Führung Morsleben ab den 1970er Jahren als Atommüllendlager. 1990 wurde das Lager mit einem Trick zum Bundesendlager. Einen Tag vor der Vereinigung von BRD und DDR wurde das ERA Morsleben aus dem Besitz der Kombinates "Kernkraftwerke Bruno Leuschner" in den Besitz des Staatlichen Amtes für Strahlenschutz (SAAS) überführt. Mit dem Tag der Vereinigung ging es dann automatisch in die Zuständigkeit des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) über, der Behörde die gesetzlich berechtigt war, "Endlager" zu betreiben. Damit konnte das BfS von der Bestandsgarantie des Einigungsvertrages nutznießen. Infolge des im Einigungsvertrag garantierten "Bestandsschutzes" für DDR-Altanlagen wurde die Betriebsgenehmigung automatisch bis zum 30.Juni 2000 verlängert, ohne Öffentlichkeitsbeteiligung und ohne Langzeitsicherheitsnachweis.
Noch 1990 beauftragte die Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD gemeinsam mit dem BUND Niedersachsen, Greenpeace und dem Deutschen Bund für Vogelschutz die Gruppe Ökologie mit einer Schwachstellenanalyse des Atommülllagers. Das Ergebnis war verheerend: permanente Wasserzuflüsse, kein ausreichendes Deckgebirge, fehlender Langzeitsicherheitsnachweis, vagabundierende flüssige Abfälle, usw. 1991 konnte die Einlagerung zum ersten Mal gerichtlich gestoppt werden.
1994 wurde der Betrieb wieder aufgenommen und trotz erheblicher Sicherheitsbedenken bis 1998 mehr radioaktive Abfälle nach Morsleben gebracht als in DDR-Zeiten. Geprägt war die Einlagerungszeit durch Auseinandersetzungen zwischen dem Land und den Bundesumweltminister*innen Töpfer und Merkel, die mehrfach per atomaufsichtlicher Weisung den Weiterbetrieb erzwangen. Bundesumweltministerin Merkel erteilte ihrer sachsen-anhaltischen Kollegin sogar einen Maulkorb und forderte sie auf, in der Öffentlichkeit keine negative Sicherheitsbewertung mehr abzugeben
Seitdem läuft das Planfeststellungsverfahren auf Stilllegung der Anlage. Wobei Stilllegung den Verschluss und den Abbau der übertägigen Anlagen bedeutet. Ein Endlager ist per se in permanentem Dauerbetrieb, soll es doch die Radionuklide ewig von der Biosphäre abhalten. 2009 wurden die Stilllegungspläne ausgelegt. Dagegen wurden 13.000 Einwendungen eingelegt. So will der Betreiber - inzwischen die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) - die illegal in Morsleben zwischengelagerten Strahlenquellen und ein 280-l-Fass mit Radium-226, die etwa zwei Drittel der Aktivität in Morsleben ausmachen, einfach in dem Lager mit einschließen.
Gescheiterte Großversuche mit den Strömungsbarrieren und relevante Kritik der Entsorgungskommission an den Plänen des BfS machten bisher einen Strich durch die Rechnung, Morsleben schnell zu schließen. Auch nach 25 Jahren können bisher weder das BfS noch seine Nachfolgerin, die BGE die Langzeitsicherheit für Morsleben nachweisen. Laut aktueller Planung will die BGE Ende der 2020er Jahre die Stilllegungsgenehmigung erhalten und Mitte der 2040er Jahre die Stilllegungsmaßnahmen abschließen.
Weitere Informationen zum ERA Morsleben hier auf atommuellreport.de/era-morsleben