26.05.2021/ Erklärung von Bündnis AgiEL – AtomkraftgegnerInnen im Emsland, Réseau Sortir du nucléaire, Frankreich und Ecodefense, Russland
Keine Brennelementekooperation Framatome/Rosatom in Lingen - Brennelementeproduktion beenden – Atomausstieg voranbringen!
Im Februar 2021 kündigte der französische Atomkonzern Framatome an, im emsländischen Lingen zusammen mit dem russischen Atomkonzern Rosatom ein Joint Venture zur Brennelementeproduktion gründen zu wollen. In Lingen ist die einzige Brennelementefabrik in Deutschland in Betrieb. Sie beliefert unter anderem Hochrisikoreaktoren in Belgien, Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien, Spanien, Schweden und Finnland. Framatome ist eine Tochter des staatlichen französischen Atomkonzerns EdF und ist somit ein verlängerter Arm der französischen Regierung. Rosatom ist ebenfalls staatlich und untersteht damit der Kontrolle des Kreml – in Lingen soll die Tochterfirma TVEL aktiv werden.
Bereits im März 2021 stimmte das deutsche Bundeskartellamt dem Joint Venture zu – eine politische Bewertung durch die Bundesregierung in Berlin fand zu diesem Zeitpunkt nicht statt. Gegenüber nachfragenden Bundestagsabgeordneten wurden die relevanten Informationen zur Verschlusssache erklärt. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete jedoch im April, dass die Rosatom-Tochter 25% an dem Joint Venture in Lingen erhalten soll.
Wir fordern von der französischen und der russischen Regierung den sofortigen Verzicht auf diese atompolitische Kooperation in Deutschland. Wir erwarten von Präsident Macron und Präsident Putin, dass sie den Atomausstieg in Deutschland respektieren und nicht unterlaufen. Das bedeutet konkret, dass die Brennelementefabrik in Lingen komplett geschlossen wird und nicht durch ein neues Joint Venture künstlich weiter in Betrieb bleibt.
Wir fordern zudem von der Bundesregierung, dass sie diese Atomkooperation unterbindet und stattdessen die Stilllegung der Atomanlage in Lingen einleitet. Bislang ist die Brennelementefabrik in Lingen genau wie die Urananreicherungsanlage im benachbarten Gronau als einzige deutsche Atomanlagen vom Atomausstieg bis Ende 2022 ausgenommen. Ausgelastet ist die Brennelementefabrik schon seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima nicht mehr, weil immer mehr alternde Reaktoren vom Netz gehen müssen. Nun droht Lingen jedoch zu einer französisch-russischen Atomzentrale bei der Belieferung von alternden AKWs in vielen europäischen Ländern zu werden.
Wir befürchten konkret, dass die Kooperation von Framatome und Rosatom dazu führen wird, dass die russische Atomindustrie Teile der Brennelementeproduktion von Russland nach Deutschland auslagern will, unter anderem, um unbequeme EU-Sanktionen im atomaren Bereich zu unterlaufen. Rosatom beteiligt sich auch an militärischen Atomprojekten. Der französische Präsident Macron setzt sich öffentlich für einen strikten Kurs gegenüber Russland ein – im Atomsektor öffnet er jedoch wissentlich Rosatom die Türen in die EU. Dass die Bundesregierung dieses heuchlerische Atomspiel mitspielt, ist unverständlich und nicht akzeptabel.
Framatome und Rosatom wollen auch den längst gescheiterten AKW-Bau im bulgarischen Belene wiederbeleben. Die Framatome-Filiale im bayrischen Erlangen soll bei diesem Horror-Plan eine wichtige Rolle spielen. Damit formen Frankreich und Russland eine Allianz für eine neue nukleare Expansion. Das halten wir für unverantwortlich.
Wir fordern zudem, dass Deutschland, Frankreich und Russland keine weiteren Deal auf dem Gebiet der Urananreicherung abschließen – weder für angereichertes Uran noch für abgereicherten Uranmüll, der nach Russland zur Endlagerung unter freiem Himmel in sogenannten "Geschlossenen Städten" gebracht wird.
Wir sind uns einig, dass Europa dringend eine De-Nuklearisierung benötigt – dazu gehört zwangsläufig die Stilllegung aller laufenden Atomanlagen – in Deutschland, Frankreich und Russland. Deshalb lehnen wir konsequent alle Deals ab, die zu einer Verlängerung des Atomzeitalters führen können. Atomenergie ist extrem gefährlich und keine Hilfe für den internationalen Klimaschutz. Die Zukunft Europas liegt energiepolitisch in den Erneuerbaren Energien. Darauf müssen alle Anstrengungen gerichtet sein.