Wir sind ein einig Volk und Sinn
„Einigkeit“ so lautet das Glaubensbekenntnis deutscher Politiker und Politikerinnen. Seit Deutschland nicht mehr über alles, sondern reichlich zerbombt war, seit sogar unsere Nationalhymne mit „Einigkeit“ begann, avancierte dieser Begriff zur Kardinaltugend deutscher Politik und wird bis heute von PolitikerInnen jedweder Couleur beherzigt, auch wenn sie den tümelnden Begriff inzwischen durch ein weltoffen klingenderes „Konsens“ ersetzt haben. Zumal Konsens – eines gemeinsameren Sinnes sein – ein schon beinah inniges Ineinander- verwoben- sein impliziert, während erzielte Einigkeit doch eher per Handschlag dokumentiert wird.
Popularität gewann der Konsensbegriff durch den sogenannten „Atomkonsens von 2001“, den die damalige Rot-Grüne Bundesregierung – nein nicht mit den BürgerInnen – sondern mit den Atomkonzernen aushandelte. Ein Konsens, in dem Schacht KONRAD die unliebsame Rolle des Turmopfers übernehmen musste. Seither hat die deutsche Politik den Konsensbegriff zu ihrem Lieblingswort erkoren. In der Atompolitik hat er sogar Kultstatus errungen.
Um Konsens zu erzielen, ziehen sich Umweltpolitiker mit ihren vermeintlichen Kontrahenten aus den anderen Parteien gern in ein eigens dafür gebildetes Küchenkabinett zurück, um ein gemeinsames Süppchen zu kochen. Ob die Leibesfülle der Umweltministergarde (Merkel, Gabriel, Altmaier) mit der Kochtätigkeit im Küchenkabinett in Relation steht, darüber lässt sich allenfalls spekulieren. Zumal Trittin tapfer die Figur hält, was möglicherweise der Wahrung seines grünen Anstrichs geschuldet ist und Roettgen, die halbe Portion, von seiner Kanzlerin alsbald vor die Tür gesetzt wurde, wie ein untauglicher Küchenjunge.
Am Ende ihrer Mahlzeit treten die Verhandlungspartner satt und trunken von Konfliktlosigkeit aus ihrem Küchenkabinett heraus und verkünden: Konsens!
Und unwillkürlich geht mein Blick gen Himmel, in der Erwartung, dass jetzt irgendwo weißer Rauch aufsteigt. Doch da ist keine Veränderung in Sicht. Nur die Konzernchefs der Atomindustrie werden sich die Hände reiben, und die BürgerInnen haben mal wieder das Nachsehen. Auf der Straße hat es sich längst herumgesprochen: Konsens ist Nonsens.
Antonia Uthe