„Fortan sollst Du nicht mehr "Schacht" Konrad heißen..."
Zugegeben „Label“ ist kein Begriff aus dem atompolitischen Wörterbuch, sondern Strate- gie. Hierbei werden Objekte oder Personen mit einem Etikett beklebt, um den Anschein zu erwecken, sie verfügten über bestimmte Eigenschaften, die sie in Wirklichkeit gar nicht besitzen. Die „Labelisten“ bauen darauf, wenn das Etikett nur hartnäckig benutzt wird, dann werden die gewünschten Eigenschaften irgendwann auf das Objekt übergehen.
Entlehnt ist die Strategie des Labelns der Verhaltenssoziologie. Unter dem Terminus „Labeling Approach“, also „Annäherung an die Etikettierung“, dient sie hier zur Beschreibung einer besonderen Form des abweichenden Verhaltens. Voraussetzung ist, dass eine Person sich bereits von der Norm unterscheidet zum Beispiel durch ein Handicap wie Blindheit. Wegen dieses Handicaps traut die Gesellschaft dieser Person nicht zu, dass sie ihren Alltag allein meistern kann. Daher werden ihr viele Dinge abgenommen. „Hilflosigkeit“, heißt dieses Label. Wenn die blinde Person lange genug erfahren hat, dass alle sie für hilflos halten, verhält sie sich am Ende auch so.
Die Werbung hat sich dieses Prinzip längst zu Nutze gemacht. In ihren Spots zeigt sie schöne, vor Lebensfreude sprühende Menschen. Essen und Trinken wird zum Abenteuer. Die frohe Botschaft heißt: Unsere Produkt zu konsumieren, heißt schön zu sein, lebensfroh und angesagt. Leider machen diese Hamburger & Co in der Regel weder gute Laune noch schön, sondern einfach nur fett.
Ein wirkliches Abenteuer oder besser eine wirkliche Katastrophe für Anrainer und Nachwelt wäre die Einlagerung von Atommüll in Schacht KONRAD. Der Widerstand in der Bevölkerung ist groß. Da die Politik aber nun einmal kein überzeugendes Konzept zur verantwortungsvollen Aufbewahrung von Atommüll vorweisen kann, sind die Werbestrategen des Bundesamtes für Strahlenschutz auf die Idee verfallen, die Akzeptanz der Bevölkerung per schleichender Manipulation durch ein Label zu erzwingen. Kaum war die richterliche Absegnung der ehemalige Eisenerzgrube KONRAD zu einer Atommüllaufnahmestätte erfolgt, etikettierte das Bundesamt für Strahlenschutz dieses Objekt mit einem neuen Eigennamen: „Fortan sollst du nicht mehr Schacht KONRAD heißen, sondern du sollst den Namen „Endlager“ KONRAD tragen, und dieser Name soll nun auf all unseren Broschüren und Werbeprospekten verbreitet werden.“
Während das Label sich bei den Atomlobbyisten breit macht, lässt die Bevölkerung sich auf dieses Etikett nicht ein. Schacht KONRAD bleibt Schacht KONRAD und ein neuer Name verändert nicht die Eigenschaften. Nebenbei: Nur weil jemand Schulze heißt, muss er noch lange nicht Bürgermeister werden.
Antonia Uthe