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Asse II

Nichts läuft gut in ASSE II - Und wohin mit dem Müll?

(Di., 04.11.14/CS) Die Konstellation ist sehr ungewöhnlich: Der Atomausstieg ist noch in weiter Ferne, die Bundesregierung in Gestalt des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) plant eine Konditionierungsanlage, ein Puffer- und ein Zwischenlager für den Atommüll, der aus ASSE II geborgen werden soll, und AtomkraftkritikerInnen haben keine grundsätzlichen Einwände. Nur weil der Optionenvergleich 2010 nachvollziehbar ergeben hat, dass die Rückholung die einzig verantwortbare Möglichkeit ist, mit dem Desaster im sogenannten „Versuchsendlager“ umzugehen, gibt es eine breite Zustimmung in der Region zu diesem Vorgehen.

Die Kontroversen entzünden sich an der Umsetzung. Nach dem aktuellen Zeitplan soll der erste Fass – oder das, was von davon übrig ist – erst 2033 geborgen werden. Das könnte zu spät sein, denn es ist nicht sicher, wie lange das Bergwerk noch stabil bleibt. Die Beschleunigungsmöglichkeiten, die gerade auch das extra geänderte Atomgesetz (die „Lex ASSE“) bietet, werden nicht ausreichend genutzt. Das Vorhaben ist weltweit einzigartig; das BfS erscheint mit der Aufgabe überfordert. Außerdem gibt es in allen beteiligten Institutionen Kräfte, die die Rückholung verhindern und stattdessen die ursprünglich geplante Flutung realisieren wollen.

Flutung – eine verlockende Alternative
Die öffentliche Aufmerksamkeit hat nach der Entscheidung für die Rückholung merklich nachgelassen. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: Die einen meinen, die Sache wäre jetzt auf dem richtigen Weg, die anderen glauben sowieso nicht mehr daran, dass die Rückholung tatsächlich umgesetzt wird. Für die Verantwortlichen in Bund und Ländern stellt sich die Situation wie folgt dar: Das Verbleiben des Atommülls in ASSE II und einer Flutung ist eine verlockende Alternative. Das Problem erschiene dann erstmal gelöst. Das Bergwerk wäre vorerst stabilisiert.

Wenn in 10, 50 oder erst in 100 Jahren die radioaktiven Stoffe mit der durchströmenden Lauge aus den maroden Fässern ins Grundwasser gepresst wird, sind die heute Verantwortlichen nicht mehr im Amt. Dann müssen die Nachfolger (und natürlich die hier lebende Bevölkerung) mit dem Problem fertig werden, das dann nicht mehr vom Menschen beeinflussbar wäre.

Um dieses Szenario nicht Wirklichkeit werden zu lassen, müssen die heute Verantwortlichen einige unangenehme Entscheidungen treffen. Die Wesentliche ist: Was passiert mit dem geborgenen ASSE-Müll? Folgende Anlagen sind zwingend notwendig:

Verzögerungen beim Bau eines neuen Schachtes
Ein neuer Schacht ist notwendig, weil durch den einen vorhandenen Schacht nicht Personal und Atommüll transportiert werden können. Ein potentiell geeigneter Standort wurde identifiziert. Eine vertikale Probebohrung für den sogenannten Schacht V ist abgeschlossen. Horizontale Probebohrungen auf einer Tiefe von 574 und 700 m – für den Anschluss an das Bergwerk – sollen noch im September beginnen.

Das BfS plant derzeit mit einer Inbetriebnahme des neuen Schachtes im Jahre 2028. Das dauert der Asse II-Begleitgruppe viel zu lange und würde die Rückholung unnötig verzögern. Die Beschleunigungsmöglichkeiten, die u.a. die eigens in das Atomgesetz eingefügte „Lex Asse“ bietet, würden nicht ausgeschöpft. Recherchen von Mitgliedern der Asse II-Begleitgruppe bei namhaften Schachtbauunternehmen haben ergeben, dass eine Fertigstellung inclusive aller Genehmigungen bereits im Jahre 2020 möglich wäre.

Pufferlager und Konditionierungsanlage
Aufgrund des kritischen Zustands des Bergwerks muss es ein oberirdisches Pufferlager und eine Konditionierungsanlage geben, die unmittelbar neben dem neu zu errichteten Schacht stehen müssen. Eine Konditionierung unter Tage würde die Rückholung deutlich bremsen. Sobald es Probleme bei der Konditionierung gäbe, käme die Rückholung zum Stillstand. Die jetzigen Planungen sehen vor, dass der geborgene Atommüll in Container gepackt und so nach Übertage transportiert und im Pufferlager abgestellt wird. Diese (vorläufige) Art der Verpackung wäre aber nicht für eine längere Verweildauer in einem Zwischenlager und erst recht nicht für einen Transport über öffentliche Wege zu einem Zwischen- oder Endlager geeignet.

Der geborgene Atommüll würde dann analysiert (welche Stoffe enthält er tatsächlich) und anschließend in der direkt angrenzenden Konditionierungsanlage neu verpackt. Das BfS möchte den Atommüll dort gleich endlagergerecht verpacken (in sogenannten „KONRAD-Containern“); die ASSE II-Begleitgruppe fordert bewusst nur eine zwischenlagergerechte Konditionierung, da ansonsten mit der Art der Konditionierung eine Vorfestlegung auf ein bestimmtes Endlager bzw. zumindest auf einen bestimmten Endlagertyp erfolgen würde.

Diskussion um die Zwischenlagerung
Nach heutigem Stand gibt es in Deutschland kein genehmigtes Endlager, dass den aus ASSE II zu bergenden Atommüll aufnehmen dürfte. Die Annahmebedingungen für Schacht Konrad lassen eine Einlagerung dieses Mülls nicht zu. Theoretisch denkbar wäre ein Änderungsantrag zu dem Planfeststellungsbeschluss für Schacht Konrad, um diesen Müll doch einlagern zu können. Der Zeitraum bis zu einem derartigen Beschluss wäre unklar, das Ergebnis erst recht.

Auseinandersetzungen gibt es zur Zeit um das Verfahren, nach dem ein Standort für ein derartiges Zwischenlager gefunden werden soll. In einem ersten Schritt hatte sich das BfS mit der ASSE II-Begleitgruppe auf einen Kriterienkatalog geeinigt. Verschiedene mögliche Standorte sollen dann anhand dieses Kriterienkatalogs bewertet werden und zu dem relativ am besten geeigneten Standort führen. Das BfS hat dann anschließend eigenmächtig entschieden, zunächst nur assenahe Standorte, d.h. in einem Umkreis von ca. 3 km um die Anlage, zu betrachten. Erst wenn es keinen geeigneten assenahen Standort gibt, will das BfS im weiteren Umkreis suchen. Die ASSE II-Begleitgruppe fordert hingegen, bereits im ersten Schritt assenahe und asseferne Standorte auf der Grundlage des Kriterienkatalogs zu vergleichen. Dabei fordert die Begleitgruppe keineswegs eine überregionale bzw. bundesweite Suche – so wie das BfS in seinen „Asse-Einblicken“ behauptet. Die würde in der Tat zu viel Zeit in Anspruch nehmen.

Das BfS rechnet mit einem Abfallvolumen von ca. 100.000 Kubikmetern. Das würde ein Zwischenlager mit einem Flächenbedarf von ca. 300 x 300 m erfordern (für das gesamte Gelände incl. Verwaltungsgebäude und Anlagensicherung). Zwischenlager gibt es bereits zahlreiche in Deutschland und die bestehen aus einfachen Hallen. Die notwendige Abschirmung soll durch die Behälter gewährleistet werden.

Und was folgt dann?
Für den ehemaligen Bundesumweltminister und jetzigen Vizekanzler Gabriel steht fest, dass der Asse-Müll schlussendlich in Schacht Konrad endgelagert werden solle - "ein anderes Endlager für schwachradioaktive Abfälle haben wir nicht und werden wir auch nicht bekommen", so der Abgeordnete auf seiner Homepage mit Stand Juni 2014. Diese Erhöhung des radioaktiven Inventars wäre durch die bisherigen Sicherheitsbetrachtungen nicht abgedeckt und würde ein neues Genehmigungsverfahren erfordern.

Ganz ähnliche Probleme haben viele Anwohnerinnen und Anwohnern von anderen Zwischenlagern in Deutschland, bei denen heute auch noch nicht klar ist, wann und wohin der dort lagernde Müll einmal abtransportiert werden wird. Für über die Hälfte des derzeit vorhandenen Atommülls gibt es noch nicht einmal eine Planung, was mit ihm langfristig passieren soll. Das ist ein Ergebnis des „Sorgenberichts der Atommüllkonferenz “ vom August 2013, einer Bestandsaufnahme von Ursula Schönberger von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad. Darin listet Ursula Schönberger akribisch auf, an welchen Orten welcher Atommüll in welchem Zustand vorhanden ist und wie mit ihm zur Zeit umgegangen wird.

Die Kommission für ein Atommüllproblem

Die vom Bundestag eingesetzte „Endlager-Kommission“, die im Frühjahr diesen Jahres ihre Arbeit aufgenommen hat, greift da viel zu kurz: Sie suggeriert, dass es mit der Atomenergie nur noch ein Problem gebe: Man muss einen Standort für die Endlagerung der hochradio-aktiven Abfälle finden. Tatsächlich ist das Problem viel komplexer: An hunderten Stellen in Deutschland liegen ganz unterschiedliche Arten von radioaktiven Abfällen. Wie die Bevölkerung vor diesen gefährlichen Abfällen langfristig geschützt werden kann, ist noch völlig unklar.

Die in der Atommüllkonferenz zusammen geschlossenen Gruppen rufen in einer bundes-weiten Kampagne „Atommüll-Alarm“ aus; Tenor: „Wer uns langfristig sicheren Umgang mit Atommüll verspricht, der muss erst einmal nachweisen, dass er heute alles tut, die Gefahren zu minimieren. Davon kann bis jetzt keine Rede sein. Vertrauen entsteht nicht durch Versprechungen, sondern durch überprüfbares Handeln.“ Die Kampagne umfasst eine bundesweite Zeitung, eine Unterschriftensammlung und hunderte von Veranstaltungen, viele davon auch in unserer Region.

EU-Vorgabe zwingt zum Handeln
Druck kommt aber noch von einer anderen Seite: Der Rat der Europäischen Union fordert in der Richtlinie 2011/70/Euratom vom 19.07.11 u.a. einen „nationalen Gesetzes-, Vollzugs- und Organisationsrahmen für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle“, der spätestens bis zum 23.08.15 vorliegen muss. Herr Cloosters, Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium, hat auf der Sitzung der ASSE II-Begleitgruppe im Juli diesen Jahres erklärt, dass sein Ministerium begonnen hat, diese Richtlinie umzusetzen. Man darf gespannt sein, ob es dem Ministerium in der geforderten Frist gelingt, eine vollständige Bestandsaufnahme und eine nachvollziehbare Gesamtplanung für alle radioaktiven Abfälle vorzulegen. Der notwendigen gesellschaftlichen Diskussion wird dabei vermutlich kein Platz eingeräumt.

Claus Schröder