Am 11. März 2021 sind es 10 Jahre nach der tragischen, erschütternden Dreifachkatastrophe von Tohoku 2011.
"An der Pazifikküste der Tohoku-Region ereignete sich am 11.März 2011 ein schweres Erdbeben der Magnitude 9.0.
Dem Beben folgten weitere schwere Erdstöße sowie der größte Tsunami Japans seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Regionen Tohoku und Kanto waren durch die Beben und den Tsunami von folgenschweren Schäden betroffen. Das Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi havarierte infolge der Erschütterungen und der Wucht des Tsunamis, was zur Freisetzung erheblicher Mengen radioaktiven Materials führte. In der Geschichte der japanischen Nachkriegszeit verursachte keine andere Naturkatastrophe so viel Schaden wie die Dreifachkatastrophe.
Laut der nationalen Polizeibehörde lag die Zahl der Todesopfer 2018 bei 15.595 Personen in zwölf betroffenen Präfekturen, darunter Iwate, Miyagi und Fukushima. Noch heute werden 2.539 Personen vermisst." - Japandigest Januar 2019
An dieses traumatische Ereignis erinnere ich noch sehr stark und schmerzhaft. Es war so beängstigend und erschütternd, auch wie alles danach verlaufen war. Meine Eltern in Chiba, Geschwister in Kobe und Nagano waren Gott sei Dank in Sicherheit, jedoch hatte ich furchtbare Angst ob das AKW in Fukushima explodieren und Japan vernichten könnte...
Es hat mich an die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986 erinnert. Damals war ich in Berlin. Auch damals wurden die öffentlichen Nachrichten von Tag zu Tag verwirrender...
Nachrichten aus Japan und aus Europa hatten grundverschiedene Stellungnahmen nach dem 11.03.2011.
In Japan war man zunächst mit den Opfern von Erdbeben und Tsunami beschäftigt, was auch damals verständlich war, und in Europa war die Befürchtung von Kernschmelze und atomaren Belastungen bei dem Unfall im AKW Fukushima das viel größere Thema. Wir haben bemerkt dass TEPCO, The Tokyo Electric Power Company, und japanische Nachrichtsagenturen nicht gerne über die Atomkatastrophe berichtet hatten, sogar sie eher verstecken wollten... auch über die befürchtete und leider passierte Kernschmelze haben wir erst viel später berichtet bekommen.
Die japanische Regierung und TEPCO waren und sind sehr überfordert von den Ereignissen. Wir hoffen sehr, dass die vielen Aufgaben für die Menschen und die Umwelt besser bedient werden können.
Nach dem Unfall in Fukushima haben die meisten Länder, wie auch Deutschland, ihre Meinung über Atomenergie völlig geändert und bemühen sich um den Ausstieg aus der Atomenergie. Ich hoffe, dass das auch in Japan realisiert wird.
Die japanische Regierung bezeichnet die Tokyo Olympiade (2020/2021?) als「復興オリンピック」"Wiederaufbau Olympiade". Wäre es nicht viel nützlicher, wenn die japanische Regierung diese Unsumme von Geldern für die Menschen in Fukushima und Tohoku für den wirklichen Wiederaufbau von dort und den Abbau des Atommülls einsetzen würde, statt das Geld für die Olympiade zu benützen?
Tohoku ist eine wunderschöne Region, umgeben von Bergen und Meer, eine prächtige Naturlandschaft. Dort ist es im Winter sehr kalt und schneereich, dieses frische Klima verzaubert den wundervollen Reis und das Obst wie zum Beispiel Äpfel und Pfirsiche. Weshalb die Regierung in Fukushima der TEPCO erlaubt hatte, gerade dort ein AKW einzurichten...?
Sie wollten etwas mitzusprechen haben im auf Tokyo zentralisierten Japan. Damals in den 70ern hatte man Atomenergie als "clean energy" bezeichnet und Werbung dafür gemacht. Ich erinnere mich gut daran, dass ich als Kind das so mitbekommen hatte.
Als eine Tokyoterin habe ich ein sehr schlechtes Gewissen gegenüber den Menschen in Fukushima, dass Fukushima sich und seine Natur wegen Tokyo geopfert hat, um Tokyo ein elektro-reiches Leben zu ermöglichen. Wenn ich die übertriebenen Illuminationen bei Nacht in Tokyo ansehe, schmerzt mich mein Herz bitterlich...
Nach dem 11.03.2011 durfte ich einige Benefizveranstaltungen für Fukushima und Tohoku mitveranstalten und dabei mitwirken. Dafür durften wir viele liebe Hilfen bekommen. Ich danke Ihnen und Euch allen hier nochmals ganz herzlich!
In Sapporo gibt es eine Organisation, die Kinder aus Fukushima einlädt, damit sie in der schönen sauberen Luft draußen in Hokkaido ohne Bedenken toben und sich erholen können. Es war mir eine große Freude, dass wir durch unsere Konzerte diese Organisation unterstützen durften.
Frau Hirokawa aus Sapporo, die damals das Kindererholungsprogramm organisiert hatte, sagte mir einmal: "die Geschichte vom 11.03.2011 ist in Japan in Gefahr in 風化 Fuuka -Verwitterung zu geraten. Da bräuchten wir Hilfen und Aufmerksamkeit aus dem Ausland, und wir sind sehr dankbar dafür."
Auf Japanisch 風化 Fuuka -Verwitterung heisst auch "wie ein Wind weggeblasen zu werden" ...
Eben das wollen wir unbedingt vermeiden und daran erinnern.
"To heal we must remember ..." Joe Biden
Im Jahr 2011 nach dem Ereignis hatte ich ein Konzert "TON-ERDE-MUSIK", das dritte Konzert meiner Trilogie "Porzellan mit Musik" mit dem Bayrischen National Museum im Schloss Lustheim in Oberschleißheim. www.masako-ohta.de/Projekt-Porzellan
Für dieses Konzert wurde ein Stück "TON" von Nikolaus Brass komponiert. Hier die Worte des Komponisten:
"Ton entstand im März 2011. Unwillkürlich drangen in den Kompositionsprozess – als Resonanz auf die Geschehnisse nach dem 11. 3. in Japan – Echos von Echos einer basalen Gewalt. Unmittelbare, unterschiedlich differenzierte Gesten, aus dem Inneren des Klangs von Klavier und Kontrabass entwickelt, suchen eine "Haltung" gegenüber dem Unbewältigbaren. Erschrecken, ängstliche Erwartung, Wut, Trauer, Ergebung stehen als seelische Korrelate einer tiefen Erschütterung nebeneinander – und fügen sich nicht ohne weiteres zu einem "bewältigten" Ganzen."
Nach mehreren Jahren spiele ich das Stück "TON" wieder. Am 02.03.2021 als Gedenken an Fukushima und Tohoku am 11.03.2011 spielen wir ein Programm "Songlines" im Schwere Reiter, München. Das Konzert wird live-gestreamt. https://www.youtube.com/watch?v=ts7dWMn4FT4&feature=youtu.be
Message von Masako Ohta Februar 2021/ München