Die Mathematik der Atomwirtschaft | Die Argumentationsketten von Atomwirtschaft und Politik sind zuweilen aufgemacht wie mathematische Beweisführungen, an deren Ende jeder Leser trunken vor Gewissheit sein inniges „quod erat demonstrandum“ (was zu beweisen war) setzen soll.
Gutachten in der Atombranche dienen selten dazu, ein Pro und Kontra abzuwägen, sondern sind dazu da, das Pro zu bestätigen. Diese Praxis wurde spätestens deutlich seit dem Gutachten, das die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF) in Auftrag nahm, um die alte Eisenerzgrube KONRAD zum geeigneten Atommülllager auszuweisen. Auftraggeberin war die damalige Bundesregierung. Doch das Gutachten war eigentlich gar kein Gutachten, sondern eine Eignungsuntersuchung. Überprüft werden sollte lediglich das Pro - die Eignung eben. Erwartungsgemäß lautete dann auch das Ergebnis der GSF (Eignungsbericht 1982): „dass die Eignung der Schachtanlage Konrad (…) durch die vorliegenden Ergebnisse belegt und die kerntechnische Sicherheit des Betriebes nachgewiesen ist.“ q.e.d.
Was einmal bewiesen ist, gilt ewig, auch wenn dafür missliebige Parameter kurzerhand ausgeblendet werden mussten. Die Mathematik ist da kleinlicher. Sie lässt es nicht zu, dass Zahlen willkürlich weggestrichen werden, nur weil die Gleichung sonst nicht aufgeht.
Überhaupt befindet sich die mathematische Logik der Atombranche in einer permanenten Schieflage. Sätze wie: „In Zwischenlagern stehen die Container über Tage, deswegen ist das Endlager Konrad dringend notwendig“ (zu finden auf der Internetseite des Bundesamtes für Strahlenschutz) zeugen von einer chronischen Legasthenie für kausale Zusammenhänge. Übertragen auf die Mathematik könnte man zu dem Schluss kommen, dass 2+2 gleich 5 sei, oder 7, oder das Ergebnis überhaupt beliebig, weil Zusammenhänge keinerlei Bedeutung haben.
Welch seltsamer Logik entspringt da das Kausalitätsprinzip, den Atommüll, nur weil er irgendwo herumliegt, in ein anderes Irgendwo zu transportieren? Zumal dieses Irgendwo ein altes gebrechliches Bergwerk sein soll, das reine Illusion ist, weil es gar nicht zur Verfügung steht?
„In den Zwischenlagern stehen die Container über Tage“, das ist gefährlich; deshalb darf ab sofort kein Atommüll mehr produziert werden… das wäre logisch.
Doch was einmal als wahr beschlossen wurde, währt ewig. Und die Bürger, die das nicht einsehen sind entweder dumm oder missliebig und werden kurzerhand ausgeblendet. Ist doch logisch, oder?
Antonia Uthe