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Antonias Wörterbuch

R – Restrisiko

Das Ende der Fantasie

Reste sind Überbleibsel einer Sache, die nur noch in so geringem Maße vorhanden ist, dass sie kaum mehr einen Augenmerk verdient. Risiko bedeutet seinem Ursprung nach Klippe. So ließe sich Risiko vielleicht als jene Mutprobe bezeichnen, die jemand eingeht, der sich entschließt von einer Klippe zu springen und hofft heil unten anzukommen.

In der Atomenergie wird als Restrisiko der Teil eines Gesamtrisikos bezeichnet, der außerhalb der vorstellbaren Gefahrenabwägung liegt. Direkt am Rand der Klippe, wo die Gefahr am größten ist, beginnt der hypothetische Teil des großen Wagnisses: das Restrisiko. Die Katastrophe bleibt im Unvorstellbaren, trotz Tschernobyl, trotz Fukushima. Die Verhältnisse sind eben nicht vergleichbar. Und schließlich schützt uns auch das Grundgesetz. Artikel 2 garantiert jeder Person das Recht auf Leben und Unversehrtheit, es sei denn ein höheres Gut steht dem entgegen.

Ein solches höheres Gut stellen anscheinend die Geschäfte der Atomindustrie dar. Denn im sogenannten Kalkar- Urteil von 1978 entschied das Bundesverfassungsgericht: Dass die Bevölkerung mit der Nutzung der Atomenergie ein „Restrisiko“ als sozialadäquate Last zu tragen habe. Dieses Urteil gilt natürlich auch für die Teile der Bevölkerung, welche die Atomenergie gar nicht nutzen wollen.

Das deutsche Atomforum definiert Restrisiko als „nicht näher zu definierendes, noch verbleibendes Risiko nach Beseitigung bzw. Berücksichtigung aller denkbaren quantifizierten Risiken bei einer Risikobetrachtung. – Also genau dort, wo die Fantasie von Atomindustrie, Politik und deren Gutachter endet, beginnt der Wahnsinn. Paradox mutet es an, dass gerade dann, wenn eine solche unvorstellbare Katastrophe tatsächlich wird, also in die Wirklichkeit eintritt, das Restrisiko zugunsten einer „denkbaren“ Risikobetrachtung zusammenschmilzt. Nur ein Zyniker kann sich hier eine Minimierung des Restrisikos wünschen, da sie nur mit einer Kernschmelze oder einer vergleichbaren Katastrophe zu haben ist.

Die derzeitige Bundesregierung versucht nach der Katastrophe in Fukushima eine zeitliche Minimierung des Restrisikos zu erreichen. 2022 soll das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz sein. Bleibt zu hoffen, dass sich Hochwasser, Erdbeben, Flugzeugabstürze, terroristische Anschläge und andere Restrisikofaktoren diese Zeitvorgabe zu Herzen nehmen und sich bis dahin zurückhalten.

Antonia Uthe