Wie die radioaktiven Abfälle in Deutschland ihr Strahlen verloren
Es gibt Staaten, die pflegen so ihre Merkwürdigkeiten. Die Briten beispielsweise beharren nicht nur auf ihrem Linksverkehr, sondern blicken, vielleicht sogar ein wenig herablassend, auf uns Nichtbriten, weil wir uns statt mit mathematisch-anspruchsvollen Maßeinheiten wie “Inch“ oder „Pint“ mit simplen Dezimalen zufrieden geben. In Deutschland hingegen sind nationale Alleingänge eher im Bereich radioaktiver Messungen zu finden.
Während das Freimessen radioaktiver Stoffe auf wirtschaftlichen Erwägungen, also ganz und gar eigennützig geschieht, verkündete die Physikalisch Technische Bundesanstalt im Frühjahr 1983, dass von nun an in Deutschland eine einzigartige Klassifizierung aller radioaktiven Abfälle herrschen müsse. Nicht die international übliche Dosisleistung (stark-, mittel- und schwachradioaktiv) dürfe länger maßgeblich sein, fortan sollten für diese Abfälle allein die Eigenschaften der „starken Wärmeentwicklung“ oder der „vernachlässigbaren Wärmeentwicklung“ gelten. Gleichsam per Verordnung wurde hiermit eine neue Fiktion kreiert, welche die radioaktiven Eigenschaften, vor denen wir hasenherzigen Deutschen uns ja immer so fürchten, kurzerhand verbal liquidierte. Zugleich wurden mit diesem Coup 95 Prozent aller radioaktiven Abfälle in Deutschland für Schacht KONRAD maßgeschneidert. Und wie schön harmlos das klingt: „vernachlässigbar“… Was glauben Politik und BfS eigentlich? Dass wir Deutschen uns unseren schönen glatten Kindergartenglauben bis in den Tod bewahren? Genau davon scheinen sie auszugehen. Wenn sie sich da mal nicht die Finger verbrennen.
Antonia Uthe