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Antonias Wörterbuch

Z – Zwischenlager

„Gewöhn dich nicht. / Du darfst dich nicht gewöhnen. „ (Hilde Domin)

Die meisten kennen das. Plötzlich gerät einem eine Sache ins Haus, doch es gibt überhaupt keinen Platz der dafür vorgesehen ist. Deshalb wird das Ding erst einmal  an irgendeinem Ort zwischengelagert, bis ein passender Platz dafür gefunden ist. Solange wird es von hier nach da verschoben, oder  bleibt an dem Ort liegen, wo es zufällig gerade abgelegt worden ist. Irgendwie stört dieses Ding ständig. Der Blick bricht sich daran,  bis sich der Gewöhnungszustand eingestellt hat. Allmählich gerät ganz in Vergessenheit, dass der Platz, an dem das Ding sich befindet, ursprünglich überhaupt nicht dafür vorgesehen war. Im schleichenden Prozess ist aus dem Störfaktor ein festes Mitglied des Haushalts geworden und aus dem Provisorium  ein fester Platz.

Auf solche Gewöhnungseffekte scheinen Atomindustrie und Politik mit ihrer Zwischenlagerstrategie für Atommüll  zu setzen. Der Begriff „Zwischenlager“ verbreitet die Illusion: Alles sei nur vorläufig. Und sehr bald, spätestens, wenn die Genehmigung abgelaufen ist, wird der endgültige Bestimmungsort für den Atommüll vorbereitet, sodass der vorläufige Zustand bald ein Ende habe. Zwischenlager beginnt mit „Z“, dem letzten Buchstaben des Alphabets. Danach kommt nichts mehr. Bleibt nur zu hoffen, dass es sich dabei um kein böses Omen handelt.

Dabei klingt „Z“ in Verbindung mit  „w“ besonders bedrohlich. Ein Ding wird zwischengelagert, obwohl  es eigentlich woanders hin soll und zwar an einen bestimmten und sicheren Ort. Wenn es aber dieses „Woanders“ gar nicht gibt, wenn der Bestimmungsort bisher reine Fiktion ist, ist es mehr als zweifelhaft,  ob die Anrainer des Zwischenlagers jemals aus ihrer Zwangslage befreit werden. Verzwickte Situation . Momentan scheint der Begriff Zwischenlager als reiner Euphemismus für „Zwickmühle“ zu fungieren.  Sobald der Müll von hier nach dort wandert, sobald sich eine Mühle öffnet, geht die andere Mühle zu.

Antonia Uthe