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Zum Brüllen komisch

Gleichgeschalteter Dialog, vorauseilende Diffamierung – oder eine Öffentlichkeitsabteilung, die sich im Wald verlaufen hat?

Kommentar von Ursula Schönberger und Ludwig Wasmus

Mit nebenstehendem Plakat wirbt das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit für einen Workshop auf dem diesjährigen Kirchentag. Thema: Wie kann Vertrauen in staatliches Handeln entstehen? Nun fragt sich der/die Betrachter*in, wofür steht der Hirsch? Ist er ein Sinnbild für die geschundene Natur, die über Jahrmillionen die Folgen der Atomenergienutzung des Menschen ertragen muss? Ist er ein durch die radioaktive Strahlung bereits derart degenerierter Hirsch, dass er brüllt statt röhrt und den Castor-Behälter für eine Hirschkuh hält, um die er werben will? Oder steht der Hirsch für diejenigen Menschen, die angesichts der unglaublichen Bedrohung durch die radioaktiven Abfälle manchmal die Beherrschung verlieren, wenn sie sehen, dass der Staat seiner Verantwortung für die Gesundheit seiner Bevölkerung nicht gerecht wird? 

Es ist ein Staat, der die Atomkraftwerke noch weitere dreieinhalb Jahre laufen lässt, obwohl die Gefahr, dass die Technik aufgrund der Alterungsprozesse versagt, immer größer wird. Es ist ein Staat, der nichts dagegen unternimmt, dass in Deutschland Brennelemente für marode Atommeiler im Ausland hergestellt werden. Es ist ein Staat, der Castor-Behälter in das Standort-Zwischenlager Brunsbüttel einlagert, obwohl das Gericht dem Lager wegen fehlender Sicherheitsnachweise die Genehmigung entzogen hat. Es ist ein Staat, der radioaktive Abfälle in Sachsen und Thüringen in den alten Abraumhalden und Schlammbecken der Urangewinnung endlagert und sich darauf beruht, dass dies drei Jahrzehnte nach Ende der DDR immer noch nach Strahlenschutzrecht der DDR gemacht werden darf und es sich bei den radioaktiven Abfälle deshalb „nicht um radioaktive Abfälle im Sinne des Atomgesetzes" handele.(Bundestags-Drucksache 18/243)

Und wer nun in das Handeln dieses Staates nicht blindlings vertraut, sondern kritisch hinterfragt und sich dabei an Fakten orientiert, der soll also ein sinnfrei agierendes Wesen sein? Angesichts der oben beschriebenen Sachlage wird Brüllen (und Röhren) weiterhin nötig bleiben. Und zwecklos wird es auch nicht sein; notfalls mal beim Hirschen fragen.