20 Jahre Mitwirkung an den Schacht-Konrad Gottesdiensten – ein Resümee (Pfarrer Dirk Westphal) Wo ist nur die viele Zeit geblieben? 20 Jahre klingt nach viel und fühlt sich doch im Rückblick so kurz an. Als ich 1996 in den Pfarrverband kam, da trat auch ziemlich abrupt die „Konrad-Frage“ das erste Mal wirklich an mich heran. Ich hatte kaum eine Ahnung von den Vorgängen und Sachebenen in diesem Zusammenhang und hatte mich einzulesen. Der damalige Propst drückte mir entschieden drei Ordner mit Zeitungsartikeln und Gutachten in die Hand und das machte doch ziemlich Eindruck auf mich: was kommt da auf dich zu? Was da auf mich zukommen sollte, das brauchte noch seine Zeit, dies auszuloten. Aber wer da auf mich zukam, das waren die „wundervollen Menschen“ von der AG Schacht Konrad, die mir mehr und mehr ans Herz gewachsen sind.
Und das nahm mir schlagartig alle Befürchtung, mich irgendwie als genötigt fühlen zu müssen! Allen voran waren dies aber auch Rosemarie Streich und Albrecht Fay als die Säulen für die Konrad-Gottesdienste mit manchen anderen Mitstreitern, die bis dato und nun von da an mit mir zusammen die Gottesdienste vorbereiteten und feierten. Schon bald wurde ich so ein Teil der Gemeinschaft, die hier im Namen der Schöpfung, im Namen der Vernunft und im Namen Gottes Einspruch einlegten, den Atommüll so mir nichts dir nichts „vor unserer Haustür“ einzulagern, weil ein altes Erzbergwerk scheinbar eine Nachnutzung brauchte.
Und dieser 20-jährige Weg bislang führte uns dann gemeinsam durch Höhen und Tiefen, zwischen Hoffen und Bangen in den Gerichtsurteilen und Klagewegen, in großen, bunten Camps mit Gästen aus der Region und aus den anderen hotspots des Widerstandes. Protest – ein Wort für so vielfältige Bemühungen, vor den Entscheidungsträgern in Politik und Behörden Gehör und Verständnis für die Warnungen und alternativen Überlegungen zu finden. Mit die schönsten Erfahrungen waren für mich aber immer wieder die Begegnungen mit all den vielen „Leuten“ aus der Fern´ und Nähe, die das Anliegen und die große Sorge für unsere Region einte. Diese Menschen vor Augen wurden auch die Konrad Gottesdienste immer mehr ein ganz großes persönliches Anliegen meinerseits und nicht nur ein Stiefkind meiner Gemeindearbeit. Immer mehr Herzblut floss dabei mit ein und meine persönlich empfundene Berufung, im Namen des Schöpfers allen für ihr Engagement Mut zu machen, denn: ihr steht nicht allein. Ich weiß ja auch wie nach dem Ende aller Klagewege in unserem Land und der relativen Aussichtslosigkeit vor dem europäischen Gerichtshof die Chancen für ein „Konrad Ende“ stehen. Es mag ja menschlich aussichtslos wirken, aber gesehen haben wir auch gemeinsam, wie die Einlagerung in Konrad noch stets nach hinten verschoben und so vertagt wurde!
Und selbst, wenn es beschlossene Sache scheint und der Ausbau auf den letzten Stand von Wissenschaft und Technik gerade auf Hochtouren läuft, noch haben unsere Bemühungen und ganz gewiss Gottes Hilfe mit dazu geführt, dass eben noch nicht eingeliefert wurde. Und nebenbei haben wir in 20 Jahren doch erlebt, an welch vermeintlich unverrückbaren Stellen ein Umdenken und geradezu Paradigmenwechsel stattgefunden haben, was uns natürlich beflügelte und Mut schöpfen ließ. Es ist halt noch nicht aller Tage Abend.
Darum sage ich gerne hier auch ein letztes Mal, dass ich nicht glaube, das an Konrad nichts mehr zu machen sei. Wir haben eine Chance und die wollen wir nutzen und stehen damit nicht - Gott sei´s gedankt - allein. Die AG hat meinen größten Respekt für ihren jahrzehntelangen friedlich-intelligenten Widerstand und besonders für ihre nachdrücklich-humorvolle Rhetorik. Ich sage nur: widersetzt euch!
Und ich danke sehr, dass von eurer Seite auch wir und unser Dienst in den 40-50 Gottesdiensten und Andachten Würdigung und Wertschätzung gefunden hat. So darf ich doch nach 20 Jahren im Miteinander diese Seite meiner Pfarramtstätigkeit als eine sehr kostbare bewerten, die auch mich persönlich weitergebracht und angeregt hat. Ich wünsche euch Gottes Segen und Beistand und freue mich auf den Tag (ML King!), an dem wir gemeinsam auf den Straßen Bleckenstedts den Tanz der Freude aufführen werden, weil der Atommüll endlich nicht mehr „irgendwohin“ gelangt, sondern dorhin, wo es nach besten (unvoreingenommenen) menschlichen Wissen und Gewissen buchstäblich die beste Form und die geeignetste Örtlichkeit gibt. Diesen Dankgottesdienst würde/werde ich gerne so bald als möglich mit euch allen feiern!
Mit herzlichsten Grüßen und Segenswünschen, Dirk Westphal